Ich möchte so sein wie Johann Sebastian Bach

Keine Angst. Ich leide nicht an Grössenwahn. Obwohl wir fast die Initialen teilen und uns die Leidenschaft für Musik gemein ist, würde es mir nicht in den Sinn kommen, mich mit Johann Sebastian Bach zu vergleichen. Er, einer der weltweit bedeutendsten Musiker der Geschichte überhaupt. Ich, ein Mundartmusiker irgendwo aus «Züri Nord», wo sich der Fuchs und der Hase gute Nacht sagen. Aber ich möchte so sein wie der werte Herr Bach. Das ist was anderes. Denn wenn einer so weit kommt wie er, lohnt es sich, einen Blick auf seine Lebenseinstellung, seine Arbeitsmoral, seine Überzeugungen zu werfen. Was hat ihn angetrieben? Wovon hat er geträumt? Gibt es etwas, das wir ihm abschauen können?

Für mich gibt es da so einiges. Das hier sind meine Top 3 Scheiben, die ich mir von Bach abschneiden möchte:

Er machte treu sein Ding, egal was gerade en vogue war

Als 1724 zum Beispiel Bachs berühmte «Johannes Passion» über die letzten leidensvollen irdischen Tage von Jesus aufgeführt wurde, war das Leipziger Bürgertum ausser sich. Die Pietisten und Reformierten kritisierten, dass Bach eine «richtige Oper» in die Kirche gebracht hatte und damit Emotionen weckte, was Kirchenmusik ihrer Meinung nach per se nicht durfte. Es würde nur vom Wort Gottes ablenken. Aber nicht nur die Protestanten hatten an Bach etwas auszusetzen. Auf der anderen Seite wurde seine Musik von der katholischen Kirche abgelehnt, weil sie der Ansicht war, dass zur Ehre Gottes nur einstimmiger gregorianischer Gesang dienen durfte. Scheinbar Pech für den überaus begabten Organisten und seine Kantaten und Oratorien. Doch der von Gottes Liebe so ergriffene Lutheraner machte trotz anders vorherrschendem Mainstream einfach sein Ding weil er der Ansicht war, dass sich leidenschaftlich emotionale Musik und Glaube nicht widersprechen. Diese Überzeugung war wohl mitausschlaggebend dafür, dass Johann Sebastian Bach zwar als einer der besten Organisten seiner Zeit, nicht aber als Komponist anerkannt wurde. So geriet er nach seinem Tod relativ schnell in Vergessenheit, bis der Komponist Felix Mendelssohn seine Musik fast 80 Jahre später wiederentdeckte und der weltweite Siegeszug der Bachschen Musik seinen Lauf nahm. Ich lerne: Sich treu zu bleiben, kann in der Kunst sogar den Tod überdauern.

Er glaubte und meinte wirklich, was er schrieb

Bach glaubte zweifelsohne, was er durch seine Kunst ausdrückte. Es ist diese Leidenschaft, diese Echtheit, die ein Künstler haben muss, wenn er die Herzen anderer Menschen gewinnen will. Das ist bei Ed Sheeran heute so und das war bei Bach damals nicht anders. Jeder komponierte Ton, jeder gespielte Klang zeugte davon, was Bach glaubte. Die Wirkung dieser Leidenschaft war damals wie heute gleichermassen spürbar. Friedrich Nietzsche erzählte einst: «In dieser Woche habe ich dreimal die Matthäuspassion des göttlichen Bach gehört, jedes Mal mit dem Gefühl der unermesslichen Verwunderung. Wer das Christentum völlig verlernt hat, der hört es hier wirklich wie ein Evangelium.» Und heute noch machen viele Leute, die mit geistigen Inhalten eigentlich gar nicht viel zu tun haben, bei Bach-Konzerten ein spirituelles Erlebnis, wie das für sie bei einem Gottesdienst oder durch eine Predigt nicht möglich wäre, wie der deutsche Dirigent und künstlerische Leiter des Bach-Vereins Köln, Thomas Neuhoff, zu erzählen weiss. Und ich lerne: Anstatt anderen Leuten nach dem Mund zu reden oder daran rumzuhirnen, welche Songzeile einen Hit geben könnte, sollte ich vielmehr fragen, was mich leidenschaftlich macht.

Er machte offen ein Statement, weshalb und für wen er Kunst schuf

Und vor allem fasziniert mich, dass sich Bach nicht scheute, ein Statement zu seiner Kunst abzugeben. Soli Deo Gloria schrieb er jeweils auf seine Partituren, wenn er besonders zufrieden war. Sein ganzer Antrieb, seine Inspiration, sein Lebensinhalt machte er dadurch auf so prägnante und doch kraftvolle Weise deutlich. Wenn sich andere scheinbar um keine Statements zu schade sind und ihre Musik mit «yolo», «fuck the system» oder «make love not war» taggen, möchte auch ich voller Leidenschaft für meine Überzeugung stehen und sie sichtbar machen. Johann Sebastian Bach ist mir dabei das wohl grösste Vorbild, das ich für mein Sein und Schaffen je angetroffen habe. Egal, ob ich nun einen Dankessong für «Mensche in Orange» schreibe, Menschen auffordere, es im Alltag «patschifig» zu nehmen, bete oder einfach mit Freunden aus dem Dorf bei einem Glas Wein zusammensitze. Meine tägliche Inspiration ist mein Glaube an Gott, dem ich auf die Art und Weise, wie ich bin, meinen Dank und meine Freude zurückgebe. Diese Überzeugung müssen auf keinen Fall alle mit mir teilen. Für mich habe ich jedoch entschieden: Meine Leidenschaft für Gott darf man gerne spüren.