Lebe kinoreif!

Ich träume gerne gross. Und das nicht nur, weil für mich mit meinen 1,61m Körpergrösse ohnehin vieles um mich herum gross oder zumindest grösser aussieht. Nein, ich verweile gerne in Bildern im Kopf, die mir neue Welten, Geschichten und eben Zukunftsvisionen bescheren. Man nennt das auch aktives Kopfkino oder so.

Ich stelle mir vor, wie ich den eigenen Song performe, der das Publikum zu Tränen rührt. Wie ich mal auf einem echten Kinofilmset mitwirken darf. Wie ich federleicht und ohne Angst mit dem Snowboard die Pisten hinabkurve oder endlich den Spagat hinbekomme.

Es gibt nur ein Problem, was Kopfkinos anbelangt:

Die Geschichte bleibt erfunden und surreal, wenn sie nicht die Leinwand verlässt und ins echte Leben eindringt und gelebt wird. Aber mal ehrlich, meist fühlt sich das echte Leben überhaupt nicht so an, als wäre es leinwandtauglich.

Dachte ich auch. Bis ich Schauspielerin wurde und sich seither mein Leben auf der Leinwand abspielt. – Nicht so ganz. Eher bis ich mit dem Thema des Geschichtenerzählens in Berührung kam. «Storytelling» im Fachjargon.

Das Prinzip ist ganz einfach. Ein kurzer Abriss der sogenannten Heldenreise:

Stufe 1: Der Hauptprotagonist lebt in seiner altbekannten Welt. Er hat langgehegte Träume, setzt aber aus Behaglichkeit keinen Hebel dafür in Bewegung.

Stufe 2: Es passiert etwas, das seine Welt erschüttert, ihn zwingt aus seiner Komfortzone herauszukommen und sein «normales Leben» hinter sich zu lassen.

Stufe 3: Der Protagonist verweigert, das Abenteuer in Angriff zu nehmen. Er versucht am ursprünglichen Leben festzuhalten.

Unsere «echten Leben» spielen sich meist in diesen drei Stufen ab. Viel zu sehr haben wir uns an einen Alltag gewöhnt und lassen Herausforderungen gekonnt an uns vorbeiziehen. So wie ich mich lange Jahre davor drückte, mich mal aufs Snowboard zu wagen. Wieso als geborene Nicht-Schneesportlerin ein Risiko eingehen?

Jahr für Jahr blieb ich im Winter zu Hause, bis mir ein Freund anbot, mir das Fahren beizubringen. Und genau das passiert auch in den meisten Blockbustern:

Stufe 4: Ein Freund oder eine aussenstehende Person, ermutigt den Hauptprotagonisten, sich auf das Abenteuer einzulassen.

Was danach passiert, ist vielleicht das, was wir als Hollywood-Kitsch empfinden, aber eigentlich der Schlüssel zu einem abenteuerlichen Leben ist.

Stufe 5-8: Der Protagonist traut sich, sein Nest zu verlassen. Obwohl Probleme aufkreuzen, bleibt er an seinem neuen Vorhaben dran bis er den eigentlichen Feind erkennt. Beispielsweise seine Angst. Diese bezwingt er in einem dramatischen Entscheidungskampf. Ab jetzt wird nichts mehr sein wie vorher. Im besten Fall heisst das: «Hallo Freiheit!»

Nachdem ich mir beim ersten Snowboardversuch das rechte Handgelenk verstaucht hatte, stand ich genau vor der Entscheidung, aufzugeben oder es im nächsten Jahr wieder zu versuchen. Ich entschied mich nicht aufzugeben und bin noch immer am Überwinden.

Wie oft treten wir die Reise bei Herausforderungen gar nicht erst an und bleiben zu Hause. Ich bin aber überzeugt, dass Gott uns diese Herausforderungen als Chance anbietet, um in neue Freiheiten zu gelangen. Und dann werden wir immer wieder Abenteuer erleben, die vielleicht nicht in Schiessereien enden wie im Kino, aber dennoch erzählenswerte „Heldengeschichten“ sind.

Also steh auf, verlasse dein Nest, erkenne deinen Feind und bezwinge ihn. Lebe dein Leben kinoreif!