Her mit den Ego-Killern!

Ich war kürzlich mit meiner Familie in Griechenland in den Ferien. Es war so richtig langweilig. Ja, du hast richtig gelesen. Langweilig. Und wie ich das geliebt habe! Denn ich weiss nicht, wann meine Frau und ich zum letzten Mal einfach so lange mit unseren Kids verweilen konnten. Wir haben nichts Anderes gemacht, als im Meer zu baden, Löcher in den Sand zu graben und Bälle irgendwelcher Art über den Strand zu bewegen. Die Welt hätte in dieser Zeit untergehen können, wir hätten es nicht mitbekommen.

So ziemlich das Einzige, was ich aus der Öffentlichkeit am Rande noch aufschnappte, war die Meldung, dass Michael Bublé angeblich seine Karriere an den Nagel gehängt hatte. Der kanadische Jazz-Sänger – er wurde wegen seiner Stimme und den Big-Band-Arrangements auch schon mit Frank Sinatra verglichen – gehört mit 4 Grammy-Auszeichnungen, weltweiten Topplatzierungen in den Charts und über 40 Millionen verkauften Tonträgern zur obersten Liga des Musikbusiness. Ich kenne Herrn Bublé eigentlich nur aus dem Monat Dezember, wenn meine Frau unser Haus jeweils in eine Weihnachts-Karaokebar verwandelt. Dieses Jahr wurde er mir mit seinem Karriererücktritt zur Abwechslung bereits im griechischen Spätsommer zur kontemplativen Liegestuhlgedankenvorlage.

Grund für den Rücktritt Bublés ist seine Familiensituation. Genauer sein Sohn Noah, der an Leberkrebs erkrankt ist. Zwar gehe es ihm in der Zwischenzeit wieder besser, er befinde sich in Remission. Dennoch habe die Krankheit plötzlich alles in Frage gestellt. Vor der Diagnose seien ihm Dinge wie Ticketverkäufe, seine Touren oder wie ihn die Öffentlichkeit wahrnehme, wichtig gewesen. Nun schäme er sich für sein Ego. Er halte den vorherrschenden «Promi-Narzissmus» nicht mehr aus und ziehe sich deshalb mit der Veröffentlichung seines letzten und «besten Albums» auf einem Höhepunkt aus dem Showbusiness zurück: «Das ist mein letztes Interview. Ich setze mich zur Ruhe. […] Ich habe entschieden, dass ich nie wieder eine Rezension über mich in der Zeitung lesen möchte und soziale Medien nutzen werde.»

Wie immer bei solchen Meldungen werden böse Zungen behaupten, dass das doch reine Marketing-Strategie sei, um das aktuelle Album zu promoten. Und dieselben Zungen werden mir mit Genugtuung ein «Ha, ebe gsehsch!» entgegenschmettern, wenn ich hier schreibe, dass Bublé in der Zwischenzeit bereits wieder dementiert hat. Er sei falsch zitiert worden und gehe «nirgendwo» hin. Wie dem auch sei. Mir geht es viel weniger darum, ein kanadisches Popsternchen zum Vorbild zu nehmen, das «Ich werde nie mehr wieder…»-Sätze von sich gibt (was übrigens generell auch für unsereins keine wahnsinnig smarte Idee ist). Seien wir doch gnädig mit einem Entertainer, der das Business so offensichtlich braucht wie die Luft zum Atmen.

Vielmehr hallt für mich eine grosse Frage nach, der auch wir uns stellen sollten: Braucht es erst einen Schicksalsschlag, bis wir Künstlerinnen und Künstler realisieren, dass das wahre Leben nicht aus Applaus, Erfolgsquoten oder irgendwelchen Ratings in Form von Daumen, Herzen und Kommentarspalten besteht? Wäre es nicht schön, wenn sich unser Ego regelmässig gesundschrumpft? Nicht irgendwann, wenn gar niemand mehr in unserer Nähe sein möchte oder wir unsere Liebsten verpasst haben. Was es dazu braucht? Dass wir Ego-Killer an uns ranlassen und sie als Segen sehen: Familie. Freunde. Menschen, die uns wichtig sind und uns auf die wohl angenehmste unangenehme Art und Weise spiegeln können.

Es sind diese Menschen, die uns klarmachen, dass wir für sie wichtig sind, wir uns gleichzeitig aber nicht zu wichtig nehmen sollen. Wie meine Kids zum Beispiel, die morgens um halb Sieben auf mein Bett springen und die es keinen Deut interessiert, dass ich wegen eines Gigs bis morgens um 2 Uhr unterwegs war. Oder meine Frau, die mir offen und direkt sagt, wie sie mich wahrnimmt, egal wie das die Öffentlichkeit sieht. Manchmal ist das anstrengend, ja. Aber immer heilsam. Wie in diesen unglaublich langweiligen und deshalb so wohltuenden Ferien. Mein Ego liegt jetzt irgendwo verbuddelt an einem Strand in Griechenland. Und die nächste Kur darf gerne kommen. Ich liebe euch, meine Ego-Killer.