Selbstsabotage

Klappe, die erste

Es wird gefilmt bei Central Music. Ein ganzer Arbeitstag vor der Kamera steht an. Ich werde innerlich zu einem trotzenden Kleinkind, bei so was. Fühlt sich stundenlang sperrig und obermühsam an. Ich bin vieles, aber videogen mit Sicherheit nicht. Die Linse und ich – alles andere als eine Lovestory. Die psychologische Analyse ist schnell gemacht. Damit das mit der Person vor der Kamera so richtig gut und authentisch funktioniert, muss wohl vor allem eins gegeben sein: Sie muss sich selbst und das, was sie tut, mögen. Ich mag mich doch aber ganz gerne – grösstenteils. Ich bin überzeugt von dem, was ich tue – mehrheitlich. OK, vielleicht kenne ich sie doch besser, als mir lieb ist, die Saboteure des Flows, die Kreativitätskiller schlechthin: Die Selbstzweifel. Sie fressen sich langsam wie Rost durch meine Gedanken und produzieren in mir Löcher der Unsicherheit.

Ausserordentlichkeit schützt vor Zweifeln nicht

Völlig unabhängig von Kunstrichtung, Professionalität und Persönlichkeit begegnen mir immer wieder begnadete Künstlerinnen und Künstler mit Zweifel an dem, was sie schaffen. Die fiesen Gedanken rütteln nicht nur an mir, sondern sogar am Genie. Die Sängerin Amélie Junes sagte kürzlich in einem Interview im Magazin Amen:

«Zweifel an der eigenen Kunst sind nach meinem Empfinden sehr weit verbreitet. Auch unter Leuten, die wirklich sehr gut sind. Das beschäftigt mich, wenn ich immer wieder merke, wie kritisch wir dem gegenüberstehen, was wir machen.»

Kreativer Prozess

Jeder kreative Prozess durchläuft bekanntlich verschiedene Phasen. Solche, in denen Ziele und Probleme benannt, Lösungen für eben diese Probleme gesucht und die Lösungen wiederum auf ihre Machbarkeit hin geprüft und schliesslich umgesetzt werden. Phasen, in denen wir von Geistesblitzen getroffen und der Musse geküsst werden – oder eben nicht. Dann werden Papiere zusammengeknüllt, Instrumente in die Ecke gestellt und wir finden alles saudoof. Natürlich gehört auch der kritische, unzufriedene Blick auf das bereits Entstandene dazu. Dieser gibt manchmal den nötigen Abstand, bringt neue Impulse und drängt zur Exzellenz.

Der Angeber-Gott

«Und siehe, es war sehr gut.» Ganz schön prahlerisch, was Gott am sechsten Tag, bei Veröffentlichung seines eigenen Werkes von sich gibt. Der Kreator der Weltgeschichte kennt wohl die Sache mit den Selbstzweifeln nicht. Da ich mich zu seinen Werken zähle, haftet auch mir das Prädikat sehr gut an. Diesen durch und durch wohlwollenden Blick Gottes auf mich, will ich verinnerlichen.  I am shit gibt’s beim Höchsten nicht.

Mein kritisches Auge gehört zu mir. Ich finde die Dinge, im Gegensatz zu den Bewohnern des Sonnenplaneten, meist nicht per se grossartig. Das ist ok und hat wohl ganz einfach mit der Art zu tun, wie ich die Welt sehe. Destruktiv wird’s meist erst, wenn meine Zweifel nicht eine Sache, sondern mich als Mensch ins Visier nehmen.

Bei diesem Blick in den Spiegel, will ich vom Selbstverständnis meines Schöpfers lernen. Mir selber gegenüber weniger kritisch und sehr viel barmherziger sein. Heisst: This is shit aushalten, warten, zerknüllen, weiterentwickeln, neuerfinden und mich selber dabei aus dem Spiel lassen. Ich bleibe durch Gottes Blick auf mich in diesem Prozess unversehrt. Mein An-den-Spiegel-kleb-Motto für heute: Rost bekämpfen!