Kunst soll wachrütteln, anprangern, stören, zum Diskurs einladen und zum Denken anregen.
Florian Wieser, mehrmaliger Firmengründer und Dozent, im Rahmen der Volvo Art Session 2017
In Haifa wurde Anfang dieses Jahres nach heftigen Protesten von Christen verschiedener Konfessionen eine Skulptur des Finnischen Künstlers Jani Leinonenaus aus einer Ausstellung entfernt. Aus dem Museum verbannt wurde eine Darstellung des gekreuzigten Ronald McDonald. Das Fastfood-Maskottchen ans Kreuz genagelt. Zuviel des Guten für die Christen vor Ort. McJesus, so der Werktitel, wurde als Verspottung wahrgenommen. «Verunglimpfung religiöser Symbole», lautete die Kritik. Diese zeigte sich unter anderem in der Stürmung der Ausstellung, Gewalt an Polizisten und Brandanschlägen am Museum. Die Verantwortlichen reagierten sofort mit der Entfernung des Objekts. Kunstfreiheit hin oder her.
Ungefähr zur selben Zeit las ich ein Interview mit dem deutschen Künstler, Autor und Podcaster Gofi Müller. Kunst müsse stören, damit sie ihm gefällt, wurde er darin zitiert. «Ich glaube, das gute Kunstwerk hat immer auch subversive Elemente. Dinge, die hinterfragen, die etwas unterlaufen, von dem man glaubt, dass es steht», meinte er.
Amen dazu. Viel zu oft begegnet mir an Trends angepasste Ästhetik und meinungslose Kunst. Wo bleibt die Waghalsigkeit im Ausdruck? Der Störfaktor in den Songzeilen? Kunst sollte unentbehrlich sein, nicht dekorativ. Sie sollte die Betrachter auch mal vor den Kopf stossen, anstatt sich nur gut zu verkaufen. Irritation statt Kopfnicken hervorbringen. An der zementierten Sicht auf die Welt rütteln, anstatt sie zu bestätigen.
Die Subversion war ein zentrales Merkmal der zeitgenössischen Kunst im 20. Jahrhundert. Mit allen Mitteln der Kunst wurde der Rahmen in Politik, Gesellschaft und traditionellen Kunstformen gesprengt. Wie aber sieht subversive Kunst 2019 aus? Hat sich unser System nicht selbst bereits mehr als genug untergraben? Was sollen und können Musikerinnen, Schauspieler, Schriftstellerinnen und Künstler ausrichten in einer instabilen Welt wie sie uns heute begegnet?
Ich wünsche mir von Kunstschaffenden, dass sie Referenzpunkt sind, der den Rest von uns zwingt, die Perspektive immer wieder ändern zu müssen. Ich wünsche mir, dass sie kritische Beobachter bleiben und denen den Spiegel hinhalten, die es nötig haben. Auch mir.
Deshalb haue ich den Werktitel McJesus in die Tastatur und google die Skandalkunst aus der israelischen Ausstellung. Auch wenn das Pressefoto nicht die Kunst selber ist – es wirkte. Und ich entschied mich: Kunst darf mich stören. Auch verstören. Ich nahm meine Irritation wahr, liess zu, dass mich beim Anblick (in den Spiegel) etwas piekste. Fastfood und Glaube – eine berechtigte Kombi? Ermutigender Bibelvers to go. Instant-Lösung meines aktuellen Problems schnell und billig über die Stossgebetsladentheke. Bin ich unersättlich? Wie sieht meine geistliche Ernährung aus?
Störfaktor: Check ✓
Wachgerüttelt: Check ✓
Zum Denken angeregt: Check ✓