Pop-up-Fenster zum Himmel

«Schickst du mir noch einen Reminder?», fragte mich jemand. «Mach ich», antwortete ich. Was ich eigentlich hätte sagen wollen: «Äh, nein. Ich schicke dir keinen Reminder. Wir haben ja gerade was abgemacht. Das sehe ich als verbindlich an. Wie du dich organisierst, damit du dich an unsere Abmachung hältst, ist eigentlich dein und nicht mein Bier.»

Wir sind konditioniert darauf, erinnert zu werden. Und so reagieren wir oft erst, wenn uns ein blinkendes, leuchtendes und piepsendes Etwas dazu auffordert.

Die Rechnung wird erst bezahlt, wenn die Zahlungserinnerung im Briefkasten liegt. Liebe Zeilen zum Geburtstag würde ich gerade mal einer Handvoll Freunden schreiben, wenn mich der Outlook-Kalender nicht daran erinnern würde, dass da noch mehr mir liebe Menschen irgendwann geboren wurden.

Nach einer Woche Arbeiten mit meinem neuen Computer war ich regelrecht verloren im Dschungel der Pop-up-Fenster. Dann endlich habe ich den Rettungsanker namens «Alle Erinnerungen ausschalten» gefunden. Das ewige Aufpoppen von irgendwelchen Dingen ist Flowkiller schlechthin. Da wird ständig eine neue Schublade aufgemacht und mir was gesagt, nachdem ich gar nicht gefragt habe. Welcher Termin in 15 Minuten ansteht oder wer gerade was in der Dropbox oder auf OneNote bearbeitet hat, beispielsweise. So kann doch niemand kreativ sein.

Dennoch sind meine Tage gespickt mit Erinnerungen. Facebook wünscht mir immer mal wieder viel Spass mit meinen Erinnerungen und führt mir vor Augen, mit wem ich heute vor einem Jahr oder heute vor acht Jahren virtuelle Freundschaft geschlossen habe. Die Kirchenglocken in unserem Dorf auf dem Land läuten jeden Samstag um 19.00 Uhr den Sonntag ein und erinnern mich daran, einen Unterschied zwischen Tun und Sein zu machen. Ein dreijähriges Foto von meiner Tochter, das bei uns zufällig rumlag, erinnerte mich daran, welch grosse Veränderungen in drei Jahren möglich sind. Volkslieder erinnern ganze Ethnien daran, wo ihre Wurzeln liegen und welche Geschichten sie bis ins Heute getragen haben. Zu biblischen Zeiten wurden Steinhaufen errichtet, um sich selber und zukünftige Generationen an Bewahrung und Wunder zu erinnern. Der Piepston im Auto erinnert mich penetrant daran, mich auch dann anzuschnallen, wenn ich nur kurz….

Vor zwei Tagen sass ich mit fünf anderen Menschen, die alle mindestens doppelt so alt sind als ich, in der Kirche. Eine Stunde Meditation zur Monatsmitte. Die Form und die Zielgruppe sind mir eher fremd. Habe mich aber vor einer Weile schon entschieden, Fremdes willkommen zu heissen, anstatt mich abzugrenzen. Irgendwann werden solche Entscheide dann halt konkret. So sass ich auf einem harten Stuhl im Chor einer kalten Kirche und wurde von der Pfarrerin mit Psalm 103 in die zehnminütige Stille entlassen.

«Lobe den Herrn, meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.»

Ist es schon so weit, dass Gott mir einen Reminder schicken muss?! Jetzt wird’s ja immer besser. Ein himmlisches Pop-pup-Fenster der nicht blinkenden und piepsenden Art. Eine eher sanfte Erinnerung, meine Seele aufzufordern, sich zu erinnern. An alles Gute, alles Lebensbringende, was mir bereits zugefallen ist. Folge davon war: Ich wurde wahnsinnig dankbar.

Gott ist mit Menschen, die ab und an mal wieder erinnert werden müssen, wohl umsichtiger als ich. Glücklicherweise denkt er nicht, wir zwei hätten ja was abgemacht, er sehe das als verbindlich an und ich solle mich damit bitte selber organisieren. Was für ein Glück!