Mein «Störenfriede» Teil I

Dass in einer Gesellschaft, die scheinbar durch nichts mehr gestört werden will, sogar ein tiefer Friede stören kann – von diesem Paradoxon handelt dieser dreiteilige Blogtext. Und dass die Gesellschaft Störenfriede aushalten muss und gerade wir Kreativen auch mal Störenfriede sein dürfen – ja gar müssen! –, dafür spreche ich mich aus.

Ich muss allerdings vorausschicken, dass ich nicht unbedingt als Störenfried bekannt bin. Dafür bin ich in der Tendenz viel zu harmonisch veranlagt. Aber es gibt da einen Faktor in meinem Leben, den andere immer wieder als störend empfinden. Ich spreche von meinem persönlichen Glauben an Gott (und bezeichne ihn aufgrund seines Unruhepotenzials mittlerweile liebevoll als meinen «Störenfrieden»).

Als Vermittler von Kunst in der Popkultur und in Kirchen werde ich einerseits immer wieder damit konfrontiert, dass mein Glaube stört. «Wir möchten keine Plattformen sein, wo missioniert wird», heisst es nicht selten. Zum Beispiel bei Radiostationen, die Artists aufgrund ihres christlichen Glaubens bewusst nicht spielen, selbst wenn sie ihre Musik eigentlich gut finden. Sogar dann, wenn die Musik nicht einmal vordergründig christliche Inhalte postuliert. Ich habe das schon mehrfach mitverfolgt und auch persönlich erlebt. Einmal kontaktierte mich ein Radiosender, weil ein Musikvideo von mir auf YouTube gerade durch die Decke ging und sie den Song gerne gespielt hätten. Das Interesse verflog augenblicklich, als ich die gewünschte Musikdatei von der E-Mail-Adresse meines Arbeitgebers aus verschickte und eine eifrige Musikredakteurin auf diesem Weg erst herausfand, dass ich bei Campus für Christus arbeite.

Auf der anderen Seite erlebe ich ganz viele Kunstschaffende, die sich hüten, auch ja nur etwas von ihrem persönlichen Glauben preiszugeben, weil sie von solchen und ähnlichen Geschichten gehört oder diese bereits selber erlebt haben: «Ich möchte als Artist eine faire Chance haben und an meiner Kunst gemessen werden, anstatt aufgrund meiner persönlichen Überzeugungen abgeurteilt zu werden», heisst es dann etwa. 

Beide Seiten kenne ich mittlerweile nach fast zwei Jahrzehnten des Netzwerkens sehr gut und kann sie auch nachvollziehen. Das Problem dabei ist: Grenzen lassen sich nicht so eindeutig ziehen. Man muss als Künstlerin oder Künstler schon sehr akribisch vorgehen und fast schon schizophren veranlagt sein, um seinen Glauben ganz verbergen zu können. Das fängt heute ja schliesslich nicht erst bei der Kommunikation mit Institutionen oder anderen Kunstschaffenden an, sondern schon damit, mit wem man auf Social Media verlinkt ist. Das kann dann schon mal in kontrollzwangartige Handlungen ausufern, etwa wenn Bands aktiv «allzu fromm angehauchte» Kommentare von Fans in ihren Feeds wieder löschen oder mit allen Mitteln zu umgehen versuchen, dass sie nicht doch plötzlich durch irgendeinen Algorithmus mit anderen Glaubensbrüdern und -schwestern verlinkt werden (Spotify-Hörempfehlungen und Co. lassen grüssen). 

Wie bereits erwähnt: Es ist nicht so, dass ich solche Handlungen nicht nachvollziehen kann. Denn ja, es ist nicht fair, wenn man aufgrund seiner persönlichen Überzeugung oder schon nur aufgrund seiner Zugehörigkeit oder Nähe zu einer Subkultur benachteiligt wird. Gleichzeitig löst ein Versteckspiel in der Regel mehr Stress und innere Konflikte aus, als dass diese eine Künstlerseele auf lange Sicht einfach so ertragen kann.*

In den letzten Jahren habe ich für meinen Teil deshalb Gefallen an der Ambivalenz gefunden, die darin liegt, meinen «Störenfrieden» zu haben.

Ich weiss um den tiefen Frieden, den mir der christliche Glaube eröffnet hat und somit auch anderen bieten kann. Gleichzeitig bin ich mir total bewusst, dass er andere manchmal stört. Ich finde, das ist beiden Seiten zumutbar. Mir persönlich, weil ich lerne, auch mal mit Ablehnung konstruktiv umzugehen. Und anderen, weil sie sich in ihrem so wohlig eingerichteten Leben hin und wieder stören lassen müssen. Das hat ein «Störenfriede» so an sich.

Weshalb mehr überzeugte Christinnen und Christen der Kunstszene gut tun würden, erläutere ich im nächsten Blogbeitrag.

 

* Das ist übrigens einer von vielen Gründen, weshalb es Central Arts gibt: damit Kreative, die sich in irgendeiner Form mit dem christlichen Glauben befassen, einen sicheren Ort finden, um angstfrei mit anderen ihre Fragen über Gott, das Leben und Kunst bewegen zu können.