In einem ersten Teil dieses Blogtextes habe ich erläutert, weshalb mir das Wort «Störenfriede» als Umschreibung meines Glaubens eigentlich recht gut gefällt. Ganz einfach: Weil er nebst der Tatsache, dass er einige stört, gleichzeitig das wunderbare Potenzial in sich trägt, Menschen tiefen, inneren Frieden zu spenden.
Im zweiten Teil habe ich argumentiert, dass der «Faktor Gott» in der Popkultur aus meiner Sicht Thema sein muss und darf. Selbst wenn ein Grossteil der Popkultur damit beschäftigt sein wird, Gott wieder an den Rand (oder darüber hinaus) zu schieben, statt sich ernsthaft mit seinem Wesen zu befassen. Dieses Recht steht freilich jedem Menschen zu.
Nun – im dritten und letzten Teil dieser Blog-Serie – gehe ich darauf ein, welchen Gewinn ich darin sehe, wenn Christinnen und Christen mit ihrer Glaubensüberzeugung eine aktive Rolle in der Kunstszene spielen.
Ich höre natürlich schon den Einwand, den einige meiner christlichen Freunde in der Kunstszene hervorbringen, dass ein Bekenntnis zum christlichen Glauben ein «Marktnachteil» sei. Dass man dadurch stigmatisiert werde, keine reelle Chance bekomme, wirklich über seine Kunst beurteilt und definiert zu werden. Diese Kritik ist berechtigt. Ich würde mir deshalb auch nie anmassen, jemand anderem vorzuschreiben, ob und wie er oder sie in der Öffentlichkeit zum persönlichen Glauben zu stehen hat.
Gleichwohl bin ich überzeugt, dass sich an diesem Stigma nichts ändern wird, wenn sich nicht genügend Kunstschaffende fröhlich, entspannt und überzeugend für den Faktor Gott in der Kunst stark machen. Oder zumindest darauf hinweisen, dass er eine Ressource für die Kultur ist. Ich bin überzeugt: Wenn wir das immer wieder tun, werden wir – spirituelle und nicht spirituelle Menschen – gemeinsam über die Schönheit staunen, die sich entfaltet, wenn Gott und Kunst zusammentreffen.
Kunst als Schlüssel zu mehr Schönheit auf dieser Welt liegt irgendwie auf der Hand, ist für viele ein «no-brainer». Kunst lässt uns Dinge auf dieser Welt auf eine andere Weise sehen, hören, verstehen, erfahren, … Dabei will Kunst tendenziell weniger erklären, als vielmehr aufzeigen. Darin liegt die Kraft, der Reichtum, die Schönheit der Kunst. Und genau an dieser Stelle kommt für mich eben immer auch der «Faktor Gott» ins Spiel. Dazu nochmals der britische Pop-Journalist und Autor Steve Turner in seinem Buch «Imagine», den ich bereits im zweiten Teil dieses Blogtextes zitiert habe:
«Wenn wir als Christen aber überhaupt nicht in Erscheinung treten, wird den Menschen die Gelegenheit verweigert, unsere Perspektive zu untersuchen.» (Turner, S. 26)
Anders ausgedrückt: Wenn Kunst schon andere Sichtweisen ermöglicht, müssen wir doch zumindest unsere als eine der möglichen Alternativen präsentieren. Schliesslich machen das alle anderen «Glaubensrichtungen» auch ohne mit der Wimper zu zucken – vom Kapitalismus über den Hedonismus, Veganismus, Folklorismus, Sexismus, Kommunismus bis hin zum Après-Ski-ismus! Name it.
Und hoffentlich präsentiert sich unsere Sichtweise in diesem Dschungel von Ansichten auch qualitativ hochstehend. Hoffentlich genug clever. Genug reflektiert. Auch mal frech, provokativ, anti, augenzwinkernd, selbstkritisch, schön, verspielt, klar oder auch einfach mal um ihrer selbst willen. Zumindest so, dass es sich lohnt, sich damit auseinanderzusetzen. Aber gar nicht? Für mich definitiv keine Option. Gut möglich, dass Christinnen und Christen aktuell wieder ein wenig Nachhilfe darin benötigen, ihre Sicht auf die Welt nicht als Marktnachteil, sondern als «USP» (Marketing-Fachtubelei: unique selling point) zu verstehen.
Wie man dieses Alleinstellungsmerkmal dann zum Ausdruck bringt? C’mon! Du erwartest jetzt nicht ernsthaft, dass ich diese Frage in einem Blog beantworten werde.
Vor einigen Jahren fragte mich ein Freund kurz vor seinem Durchbruch in der Popszene, was ich an seiner Stelle machen würde: Zunächst mal musikalisch Karriere machen und sich danach zum Glauben äussern? Oder sich klar positionieren und mal schauen, was die Karriere so macht?
Ich habe ihm dasselbe geantwortet: Wer bin ich, um dir das zu sagen?! Die Antwort auf diese Frage ist doch vielmehr eine individuelle denn eine pauschale. Und ich bezweifle, dass die Entweder-oder-Frage wirklich zielführend ist. Vielmehr ist es doch eine Wie-Frage! Wenn du schon an Gott glaubst, dann finde doch einen dir entsprechenden Weg, wie du diese Überzeugung zum Ausdruck bringen kannst. Oft braucht’s alleine ein Künstlerleben lang, um überhaupt herauszufinden, was das persönliche Alleinstellungsmerkmal ist. Ich würde mal behaupten, dass du schon mal auf einem guten Weg zur Wie-Frage bist, wenn bei der Was-Frage auch dein Glaube eine Rolle spielt.
Nun aber genug der Philosophiererei über was, wie, ob überhaupt, was wäre wenn und hätte, hätte, Fahrradkette. Zum Abschluss dieses Blogtext eine klitzekleine und unvollständige Liste, wo ich persönlich mehr Faktor Gott in der Popkultur sehen möchte und bereits sehe. Ein kleiner Anstoss zum Weiterdenken in Sachen USP der christlichen Sichtweise in der Popkultur:
Der Faktor Gott ist für mich …
- Gegenentwurf zur anthropozentrischen Weltanschauung (der Mensch im Zentrum) und damit eine gesellschaftskritische und dringend benötigte Anti-These zur belanglosen Selbstinszenierung auf x-Tausenden von Insta-Feeds
- damit gleichzeitig der einfachste Weg, um weniger auf mich zu sehen, sondern gesellschaftliche Phänomene und Probleme beobachten und beschreiben zu können
- Grund dafür, dass ich kein Konkurrenzdenken nötig und gelernt habe langfristige Communities zu bilden sowie Kollaborationen anzustreben, statt dem Einzelkämpfertum zu frönen
- in einem Radiointerview ebenso legitim als Inspirationsquelle wie etwa «Pot rauchen mit anderen», «Flanieren in der Stadt», «Tantrismus» oder «das kommunistische Manifest» (oder was ich sonst alles schon mehr oder minder substanziell in Künstlerinterviews erfahren durfte)
- im Minimum kein grösserer Cringe-Faktor als alles oben Genannte 😉
- dieses fast unbeschreibliche, erhebende innere Gefühl – eine Art Freude, Ehrfurcht, Erfüllung – angesichts der Tatsache, dass ich nicht nur für mich selber oder für eine bestimmte Schar von Menschen performe, sondern für «etwas Höheres»
- aus dem oben genannten Grund genau DER Faktor, der mich unter anderem durch solche Zeiten wie die aktuelle trägt, in denen einen vielleicht über Monate oder sogar Jahre niemand wirklich bemerkt, beklatscht geschweige denn supportet
- Und so weiter und so fort …
Wer ganz genau hinsieht (und hinsehen will), kann die Kraft und die Relevanz dieser transzendenten Kollaboration bereits im Diesseits und bis in die obersten Sphären der aktuellen Popkultur sehen. Dann zum Beispiel – um nur ein einziges Beispiel zu nennen –, wenn ein Stormzy 2019 das Glastonbury als Headliner komplett «auseinandernimmt». Wenn er in seiner Show einen Speech über soziale Ungerechtigkeit einfach mal schnell mit seinem persönlichen Glaubensbekenntnis verbindet und danach von der Pop-Elite aus aller Welt und Vertreterinnen aus dem gesamten politischen Spektrum mit Wörtern wie «historic» oder «iconic» geadelt wird.
Gott und Kunst? Marktnachteil? Kann sein. Unberechenbares Risiko? Auf jeden Fall. Doch ein bisschen Outsider-Image hat eigentlich noch niemandem geschadet. Insbesondere in der Popkultur. Das beweisen viele Geschichten. Und dazu ermutigen – auf welche Art und Weise auch immer – die Zeilen dieses Textes. S.D.G!