Ein regnerisch windiger Sonntag. Wir schreiben tatsächlich bereits den 12. Monat der Pandemie. Trotz garstigen Wetters gehe ich nach draussen, um endlich wieder mehr vom Himmel zu sehen, als nur einen Ausschnitt davon durchs Fenster von meinem Esstisch aus. Mit der Kapuze oben und eingezogenen Schultern gehe ich am Rhein entlang durch den unfreundlichen Wind. An einer hohen Kirchenmauer bleibe ich stehen und – obwohl ich da schon öfter entlang ging – bemerke ich dort zum ersten Mal eine Sonnenuhr. Das ist jetzt wohl Situationskomik.
Über der Uhr steht die Inschrift Soli Deo Gloria. Mit Latein im Kopf gehe ich weiter und zurre die Jacke noch etwas fester zu.
Was ich über die drei Worte bereits weiss:
Auf Deutsch bedeuten sie «Gott allein [sei] die Ehre». Diese lateinische Phrase, meist in der Abkürzung S. D. G., wurde von verschiedenen Komponisten des Mittelalters und des Barocks an den Anfang oder an das Ende ihrer Partituren gesetzt, oft sogar anstelle des eigenen Namens. Johann Sebastian Bach, der bekannteste von ihnen, unterzeichnete viele seiner Werke damit. Auch Buchautoren bedienten sich diesem Statement. Soweit mein Wissen aus der gymnasialen Steinzeit meiner eigenen Biografie.
Was ich dazu nach meinem Versuch, den Kopf bei Regen am Rhein zu verlüften, nachgelesen habe:
(Achtung an alle Pop-Menschen: Dies wird ein kleiner Exkurs in die Klassik. Ich mach’s kurz, versprochen!)
Am besten lasse ich J. S. Bach über den Zweck von Musik grad mal selber sprechen:
«[…] und soll wie aller Music Finis und End Ursache anders nicht, als nur zu Gottes Ehre und Recreation des Gemüths seyn»[1]
Der Mann nennt zur Wozu-Frage von Kunst zwei Punkte, so verstehe ich das zumindest: Gott ehren und dem menschlichen Gemüt Erholung verschaffen. Einigen aus unserer heutigen Zeit, ist der erste Punkt zu fromm. «An Gott zweifeln, an Bach glauben» lautet dann das Credo der neuzeitlichen Fans seiner Musik. Das wird wohl weder Gott noch Bach gerecht, denke ich mir. Sie wollen nur den musizierenden nicht aber den glaubenden Bach. So kippen sie das, was dem ausserordentlich begabten Lutheraner anscheinend heilig war, über Bord, weil es nicht ins 21. Jh. passen will.
Bachs kompromisslose Art, Musik als Geschenk vom Himmel zu verstehen und als logische Folge davon diesem Geber durch all sein künstlerisches Schaffen die Ehre zurückzugeben, überrascht, verblüfft oder stört nicht nur heute. Die Söhne Bachs, so heisst es, wiegten schon damals bedenklich oder verständnislos das Haupt.
Was das alles mit mir zu tun hat:
Im Gegensatz zu ihnen nicken wir als Central Arts rund 270 Jahre später energisch und zustimmend mit dem Kopf. Seit der Gründung unserer internationalen Bewegung von Kreativen in Popkultur und in Kirchen, sind wir angetan von S.D.G – dem offenen Statement, weshalb und für wen Kunst geschaffen werden kann. Jonathan Schmidt, Leiter von Central Arts schrieb zu Bach und diesen drei Buchstaben:
«Sein ganzer Antrieb, seine Inspiration, sein Lebensinhalt machte er dadurch auf so prägnante und doch kraftvolle Weise deutlich. Wenn sich andere scheinbar um keine Statements zu schade sind und ihre Musik mit ‹yolo›, ‹fuck the system› oder ‹make love not war› taggen, möchte auch ich voller Leidenschaft für meine Überzeugung stehen und sie sichtbar machen.»
Da müssen nicht alle mit. Darüber darf natürlich auch «das Haupt gewiegt» werden. Oder aber darüber nachgedacht werden, woher uns Kunst gegeben ist und wozu sie da sein könnte.