Wenn der Flow still steht

Seit über einem Jahr steht die Kulturbranche still. Künstlerinnen und Künstler haben die Schnauze voll. Lange waren sie auf dem Abstellgleis, haben auf Lockerungen gewartet und darauf, endlich wieder Musik machen zu können. Mir ging es nicht anders.

Im März 2020 habe ich meine EP rausgebracht und drei Wochen später war alles im Lockdown. Byebye Livekonzerte! Weg die Chance, meine Musik unter die Leute zu bringen. Die ersten Monate fühlten sich deshalb für mich wie eine Blockade an. Ich war im Kreativloch und spürte viel Druck, zu diesem Zeitpunkt auf lustige Art und Weise online Musik machen zu müssen. Also ging lange gar nichts bei mir. 

Aus drei Monaten wurde ein halbes und dann ein ganzes Jahr. Nach knapp 1.5 Jahren riecht es so langsam aber sicher wieder nach Normalität. Viele Musikerinnen und Musiker sagen ihre Konzerte an und Livemusik ist wieder zu hören. Ich selbst durfte letzten Freitag mein erstes Live-Konzert nach der Pandemie spielen.

Wow! Hat sich das gut angefühlt!

Es fühlt sich fast ein wenig so an, als wäre diese Pandemie gar nie passiert. Tommy Vercetti, ein Schweizer Hiphop-Urgestein, hat in einem Interview über sein neues Album «Patient Null» gesprochen. Es war mitunter auch eine Verarbeitung dieses monatelangen Stillstands. Ihn irritiert, dass in der Musikszene die letzten Monate so wenig thematisiert wurden. In den Charts und in den Songs am Radio wird diese schrägen Zeit kaum abgebildet. Nur wenige Künstlerinnen und Künstler besingen und verarbeiten in ihren Songs diese Pandemie, meinte er. 

Ich verstehe seine Kritik. Wenn man Radio hört oder sich die Releases der letzten Monate anhört, dann könnte man meinen, diese globale Pandemie wäre nie dagewesen. Warum wurde die Isolation, der Stillstand, das Alleinsein und all die Gefühle nicht besungen, die doch so lange spürbar dagewesen sind? Ich selbst fühlte mich in dieser Zeit von nichts anderem inspiriert als von dieser Pandemie. Viele Songs, die in meiner Wohnung entstanden sind, waren eher melancholisch.

Ich trug aber diese Schwere, die in den Songs hervorgekommen ist, nicht nach aussen. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich, es wäre besser, fröhlich gegen diesen Stillstand anzutreten. Von Hoffnung und besseren Tagen zu singen, anstatt von Hilflosigkeit, vom Alleinsein und der Traurigkeit.

Vielleicht hätte ich ganz viele dieser Entwürfe – meine persönliche Verarbeitung dieser Zeit – einfach mutig in die Welt raushauen sollen. Als Ausdruck dafür, dass eben auch das Unschöne und Traurige dazu gehört. Und wenn das mehrere Künstlerinnen und Künstler ebenso gemacht hätten, dann hätte Tommy Vercetti auch die authentischen Pandemie-Songs nicht vermisst. 

In diesem Diskurs gibt es wohl kein Richtig und kein Falsch. Aber ich denke es würde uns guttun, öfters auch die Schwere in Songs zuzulassen und harte Zeiten zu portraitieren. Denn auch sie gehören zum Leben dazu.