Die Kunst der Sehnsucht

Vor wenigen Wochen durften wir von Central Arts das künstlerische Programm der Explo Days im schweizerischen Zug gestalten. Bei der zweitägigen Konferenz ging es um ein ganzheitliches Verständnis des Evangeliums. Dazu dienten Talks von internationalen Speakern, Austausch- und Vertiefungsformate. Und eben Kunstbeiträge. Soweit nichts Außergewöhnliches.

Außergewöhnlich ist jedoch die Tatsache, dass nicht nur Kunstbeiträge gezeigt wurden, sondern dass einige Kunstschaffende zusätzlich in Interviews zu Wort kamen und künstlerische Inhalte rund die Hälfte des gesamten Hauptprogramms ausmachten.

Das ist insofern erstaunlich, als dass es sich nicht explizit um ein kunstaffines Publikum handelte. Vor Ort wurde das unter anderem bei einer Live-Umfrage auf der Hauptbühne auf recht unterhaltsame Weise deutlich. Der Bereich «Schönheit» landete bei der Frage nach der Bedeutung für das Evangeliumsverständnis nebst Begriffen wie «Annahme», «Würde», «Versöhnung», «echtes Leben», «Gerechtigkeit», «Hoffnung» oder «Verbundenheit» abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Danke für das Mitleid, aber das stürzt mich als Künstler jetzt nicht gerade in eine Sinnkrise. Ich wäre auf die Frage, was für mich das Gute an der Guten Botschaft ist, vermutlich spontan auch zuletzt auf die Kunst zu sprechen gekommen. Fehlplanung der Programmverantwortlichen also, was die Omnipräsenz der Kunst anbelangt?  Fehlanzeige!

Doch weshalb sollte uns gerade Kunst zum besseren Verständnis von Glaube dienen? Nun, so mystisch sich die Kunst uns zuweilen präsentiert, so deutlich ist ihre Wirkung auf uns zu beschreiben. Die Erfahrung von Schönheit – und Kunst ist eine Ausdrucksform davon – lässt uns der Tatsache bewusst werden, dass wir Menschen sehnsüchtige Wesen sind. Wir sind rastlos, suchend, sehnend. Bis zu dem Punkt, an dem wir diese Unruhe in uns auflösen können. Deshalb «zieht» es uns an schöne Orte, wo wir uns erholen können, «heilt» uns Musik, «entführen» uns Filme und Bücher, oder schaffen Kunstwerke in Museen dieses fast schon universelle Gefühl von «Ordnung». 

Wenn wir die Sehnsucht in uns schließlich gestillt haben, dauert es in der Regel nicht allzu lange, wir werden wieder unruhig und das ganze Spiel beginnt von vorne. Kunst ist somit exemplarisch. Sie kann uns unsere Sehnsüchte erklären. Die Crux dabei ist, diese Erklärung einerseits nicht zu ignorieren, sie auf der anderen Seite aber auch nicht zu überhöhen. C.S. Lewis schreibt dazu:

«Die Bücher oder die Musik, in denen wir die Schönheit gefunden zu haben glauben, werden uns enttäuschen, wenn wir uns auf sie verlassen. … Denn sie sind nicht die Sache selbst; sie sind nur der Duft einer Blume, die wir selbst nicht gefunden haben, das Echo einer Melodie, die wir selbst nicht gehört haben, Nachrichten aus einem Land, das wir nie besucht haben.»*

Kunst ist nicht die Sache selbst. Aber sie führt uns zur Sache, zur Quelle. Je öfter wir Kunst genießen, umso öfter bekommen wir die Gelegenheit über die Sehnsucht, die sie anspricht, nachzudenken und im besten Fall bei der Quelle, bei Gott, zu landen. Und wenn wir bei der Quelle gelandet sind, erkennen wir Dinge wie Gnade, Wahrheit, Zugehörigkeit, Versöhnung, Gerechtigkeit, Hoffnung. Von mir aus darf die Schönheit bei jeder Abstimmung rund um das Evangelium auf dem letzten Platz landen. 

Wenn wir uns dafür die Hälfte der Zeit nehmen, um uns von der Kunst zur Quelle bringen zu lassen.

 

* C.S. Lewis, A Mind Awake: An Anthology of C.S. Lewis, Hrsg. Clyde Kilby, New York: Harcourt Brace and World, 1968, S. 22.

 

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