«Woher nehmt ihr eigentlich eure Ideen?» Mit dieser Frage konfrontierte Michael Elsener in seiner damaligen Satiresendung beim Schweizer Fernsehen einst Jonny Fischer vom Cabaretduo Divertimento. Jonny verzog keine Miene und beantwortete die Frage prompt und geduldig. Danach meinte Michael schmunzelnd, dass es eigentlich eine Gag-Frage gewesen sei und er fände sie selber sehr mühsam. Er wollte aber Jonny bei seiner höflichen Antwort nicht unterbrechen. Darauf Jonny: «Und ich dachte mir noch, läck bist du ein ****!»
Kreative nach Inspirationsquellen zu fragen ist etwa gleich originell, wie um eine Erklärung für den Bandnamen zu bitten.
Was ist hingegen eine gute Frage und ist das auch eine? Wohl eher nicht. Und warum muss man Schauspielerinnen und Schauspieler auch im Jahr 2022 noch fragen, wie viel der Rolle XY in ihrer Persönlichkeit steckt? Wäre das nicht Teil der Job Description in eine andere Rolle zu schlüpfen?
Wie so oft stelle ich mir dann selber – nachdem ich mich über die x-te plumpe Frage des Interviewers genervt habe – die Frage: Könnte ich es besser? Hätte ich bessere Fragen in Petto? Denn schon beim einfachen Kennenlernen-Smalltalk frage ich doch auch die üblichen schlechten Verdächtigen ab. Zum Beispiel «Was arbeitest du?» oder «Woher kommst du?» gewinnen wohl kaum den Originalitäts-Oscar. Gute Fragen zu stellen und erst noch angenehme Interviews zu führen sind eine Kunst für sich. Zusätzlich braucht es auch noch weitere Faktoren, damit es zwischen Gesprächspartnern funkt und harmoniert.
Als guter Christ erinnere ich mich natürlich auch noch an die Fragen aller frommen Fragen, welche ich mir als Teenager sogar abgekürzt mit «W.W.J.D.» ums Handgelenk gelegt habe: «What would Jesus do?» Meine aktuelle und theologisch nicht wasserdichte Antwort dazu? Jesus würde Fragen stellen! Und meistens auch dann, wenn eine Antwort gefragt wäre. Da kam zum Beispiel von kritischen Journalisten (in Matthäus 21,23–27 in Form der Pharisäer) eine herausfordernde Frage zum Thema «Vollmacht». Und Jesus so: «Danke für die Frage. Ich beantworte sie aber erst, wenn ihr mir eine Gegenfrage beantworten könnt.» Da die Pharisäer keine für sie passende Antwort geben konnten, war diese Pressekonferenz damit schneller vorbei als jede Bergpredigt. Alternativ hätte hier natürlich auch ein kryptisches Gleichnis von ihm als Antwort kommen können. Die Erklärung dazu wäre dann statt der breiten Öffentlichkeit jedoch nur den Jüngern vorbehalten gewesen.
Darum mein Fazit: Jesus wäre ein anstrengender Interviewpartner gewesen.
Ich habe jedenfalls beschlossen, dass ich nicht nur quantitativ mehr Fragen stellen, sondern vor allem auch an der Qualität und Originalität arbeiten möchte. Gleichzeitig bin ich mir aber auch bewusst, dass aus mir kein seriöser Fragejournalist wird, denn viel zu gerne stelle ich «dumme» oder «unerwartete» Fragen. So landen immer mal wieder Fragen wie «Wie weit läuft ein Running Gag für dich, bis ihm die Puste ausgeht?» auf unsortierten Notizzetteln von mir. Vielleicht sollte ich mir am Künstlerduo Fischli/Weiss ein Vorbild nehmen.
2003 kreierten sie eine Installation mit Diapositiven und veröffentlichten im gleichen Jahr alles auch in Buchform. «Findet mich das Glück?» mauserte sich zum Mitbringsel- und Coffeetable-Buch schlechthin. Es stellt alltägliche, existenzielle aber auch meist skurrile Fragen. Meine momentanen Favoriten daraus:
- Wie heisst dieser Wald?
- Wer bezahlt mein Bier?
- Geht man beim Einschlafen durch eine Wand?
- Ist alles halb so schlimm?
- Kommen Meinungen von selbst?
- Muss ich mir den Kosmos wie Schaum vorstellen?
- Gehen Gemütlichkeit und Eleganz getrennte Wege?
So habe ich nun meine eigene lose Sammlung an Fragen eröffnet.
Hier ein aktueller Stand:
- Wie verhältst du dich im Lift? Drückst du den «Türe zu» Knopf?
- Was beschäftigt dich im Moment?
- Welchen Haushaltsgegenstand würdest du diesen Monat prämieren?
- Wie weit können deine Gedanken fliegen?
- Welche Frage nervt dich?
- Kann man einen Moment festhalten?
Die Frage- und Ergänzungsrunde ist somit eröffnet!