Ein kurzer Ausflug in die Geschichte. Genauer: In die biblischen Aufzeichnungen des Alten Testaments. Es geht um die Karriere eines Künstlers und das schillernde Wesen der Geistkraft – so viel vorweg.
Zu Beginn einige Eckpunkte zum besseren Verständnis. «Context is King!» Oder wie heisst das nochmal?
Geografisches:
Wir befinden uns in der Wüste.
Der Job:
Bau der Stiftshütte (mobiles Heiligtum)
Auftraggeber:
Gott
Projektleiter:
Mose
Gesucht:
Handwerker und Künstler (Ich würde ja gerne die weibliche Form verwenden.
Zu utopisch für diese Zeit, vermute ich.)
Auch die Vergabe des künstlerischen Auftrags ist vorsintflutlich. Niemand reichte Portfolios ein oder konnte auf ein demokratisches Auswahlverfahren hoffen. Gott nominierte einen Einzigen namens Bezalel und gab ihm den Auftrag konkurrenzlos. Die Idee und der Bauplan kam zwar von ganz oben, doch Bezalel hatte alle künstlerische Freiheit in der Umsetzung. Ihm wird sogar noch ein Assistent für seine Arbeiten gestellt. Bezalel scheint der Durchbruch als Künstler gelungen. Sein Gegenwartswerk wurde gar im Allerheiligsten ausgestellt. Er ist der erste Künstler der hebräischen Welt, der ganz gross rauskommt.
Und so tönt das Ganze im 2. Mose aus Gottes Perspektive:
«Siehe, ich habe mit Namen berufen Bezalel, den Sohn Uris, des Sohnes Hurs, vom Stamm Juda, und habe ihn erfüllt mit dem Geist Gottes, mit Weisheit und Verstand und Erkenntnis und mit allerlei Fertigkeiten, kunstreich zu arbeiten in Gold, Silber, Bronze, kunstreich Steine zu schneiden und einzusetzen und kunstreich zu schnitzen in Holz, um jede Arbeit zu vollbringen.»
Nach dem Bilderverbot in den zehn Geboten begründete die Beauftragung des Bezalel die Kunst neu. Mit Auswirkungen bis in die Neuzeit. In Jerusalem gibt es die «Bezalel Academy of Arts and Design», eine zur Zeit des Bauhauses gegründete Kunstakademie, die sich auf dieselbe Geschichte bezieht. Bei evangelikalen Christen in Amerika legitimiert sie bis heute die intensive Beschäftigung mit Kunst.
Ich brauche weder eine Erlaubnis dazu noch eine religiöse Überfrachtung in diesem Thema. Mich fasziniert trotzdem einiges an dieser Geschichte. Vor allem die Sache mit dem Geist und der Kunst. Was ich in dieser kurzen Episode lese und meine zu verstehen: Da wird ein Mensch mit dem Geist Gottes erfüllt und ist in der Folge davon «verständig und geschickt, kunstvoll zu arbeiten.» Diese Heilige Geistkraft befähigt zum kreativen Schaffen.
Das überrascht nicht wirklich, wenn man der Bedeutung des hebräischen Begriffs für Gottes Geist nachgeht. Ruach meint Lebenskraft, Geistkraft, Leidenschaft oder gute Energie. Sie steht für die Entstehung von Neuem, für Weite und das «Hinaustreten aus der Beengtheit».
Der Geist ist die verändernde Macht, die zu Liebe anstiftet, uns auf Ideen bringt, Traditionen untergräbt und die Geschichte vorantreibt. Heiliger Geist ist die Gegenwart Gottes in der Welt.
Ich erwarte diese Geistkraft nicht aus dem Nichts, von oben herab oder punktuell. In der Regel erlebe ich weder den Geistesblitz für das Kunstprojekt noch die Erfüllung mit dem Geist nach Gebrauchsanleitung. Aber ich bin überzeugt vom Pauluswort, das sagt: «Der Heilige Geist ist ausgegossen in eure Herzen.» Bereits in mir. Kein einmaliger Peak, sondern eine Non-Stop-Sache. Hochdynamischer, pulsierender, freimachender Lebensatem. Ein schillerndes Wesen. Kaum zu fassen! Es ist dieselbe Geistkraft, die Bezalel zu herausragenden, künstlerischen Werken befähigte.
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