Ich habe schon auf vielen Hochzeiten getanzt. Die Liste der Produktionen, bei denen ich mitarbeitete, ist lang und unübersichtlich. Manchmal war ich federführend, manchmal Teil eines Kollektivs. In meinem Portfolio finden sich Kurzfilme, Trailers, Podcasts, Hörspiele, Gedichtbände, ein Kinderbuch, Magazine, Corporate Design, DVD-Covers, Webseiten, Werbebanner, Fotoserien, ein Wahlflyer und sogar ein Tattoo. Vieles davon würde ich heute mit meinen bald 33 Jahren wohl anders machen, gestalten oder organisieren. Trotzdem schaue ich gerne auf die Projekte zurück und spüre einen gewissen Stolz über das Endresultat.
Wie gerne hätte ich einen physischen Raum, in dem mein komplettes kreatives Schaffen Platz finden könnte. Ein begehbares Portfolio.
Versteh mich nicht falsch: Nicht für die Öffentlichkeit! So groß ist mein Ego definitiv nicht. Nein, ein Raum nur für mich. Und für Momente, in denen das Gefühl von mangelndem Selbstwert in mir aufkommt. Wenn ich gefühlt nichts hinkriege oder die Liebe zu den eigenen Ideen fehlt. Dann könnte ich diesen Raum betreten, schmunzeln und stolz sein auf das bereits Geschaffene.
Judith Holofernes ist Musikerin und Autorin. Ihre großen kommerziellen Erfolge hatte sie mit der Band «Wir sind Helden». Heute ist sie eine unabhängige Solo-Künstlerin. Wie aber mein Vermerk auf ihre frühere Bandgeschichte beweist, wird sie auch zehn Jahre danach immer noch auf das «Heldenwerk» angesprochen oder sogar reduziert. In einem Interview zu ihrem Buch «Die Träume anderer Leute» meinte sie aber, sie sei immer noch stolz und glücklich über die «Wir sind Helden»-Songs. Sie möge diese Werke immer noch gerne, auch nach all dieser Zeit und der schwierigen Übergangsphase zur Solo-Karriere.
Ich mag es, wenn Künstlerinnen und Künstler stolz sind auf ihr Schaffen. Wenn sie davon schwärmen und dir gerne auch die großen Bilder davon zeichnen. Wenn nicht die Angeberei im Fokus steht, sondern die Verliebtheit in das Werk, in die Idee. Mehr Leidenschaft als Verkaufsgespräch.
Doch spätestens wenn es um das öffentliche Portfolio geht, wird selektiert. Welche Projekte sollen da einen Platz finden? Ein Portfolio sollte gut durchdacht sein und die Person dahinter möglichst gut repräsentieren. Da verlässt einen vielleicht plötzlich die nötige Portion Stolz zu einem Werk und es wird aus Angst oder Scham lieber nicht aufgeführt. Das nenne ich dann Portfolio polieren. In meinem privaten Portfolio-Raum möchte ich aber definitiv nicht alles glatt gebügelt haben. Auch wenn da vielleicht gewisse Werke nicht prominent in der Mitte stehen, gehören sie trotzdem zu meinem Werdegang dazu. Und auch bei diesen aus heutiger Sicht kantigen Werken, möchte ich mir im Minimum ein Spürchen Stolz erarbeiten und sie nicht aus Verlegenheit auslagern.
Übrigens: Ich habe noch die Baueingabe für einen zweiten Raum getätigt. Darin stelle ich dann meine Ideenschnipsel für potenzielle zukünftige Projekte aus. Baupläne ans Architekturbüro sind raus!