Der gute alte Goldfisch. Immer für ein Stockfoto gut. Von einem Gefäß in ein größeres springend – Symbolbild für Veränderung, Aufbruch und Neuanfang. You can do it! Können Goldfische überhaupt springen? Warte, ich google das schnell für dich. Soviel Zeit muss sein.
(Anm. d. Red.: 10 Minuten später.) Also: Laut gartenjournal.net springen Goldfische nur, wenn sie von heftigem Juckreiz geplagt werden, im Wasser akuter Sauerstoffmangel herrscht oder sie sich in einem besonders stürmischen Paarungsritual befinden. Abgesehen von der letzten Option, sind das alles keine guten Aussichten für den Fisch. Wissen das eigentlich auch die Motivationscoaches und Business-Consultants? Sie verwenden solche Stockfische doch inflationär in ihren PowerPoint-Präsentationen. (Anm. d. Red.: Der Autor wollte dieses Wortspiel von Stockfoto und Goldfisch noch erklären, bekam dann aber eine wichtige WhatsApp-Nachricht.) Diese verpixelten Folien folgen dann direkt nach den Einstein-Zitaten. Hach! Wenn wir schon dabei sind:
«Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.»
Danke Albert oder wer auch immer dies in seinem Namen im Internet erfasst hat. Wo war ich? Goldfische, genau! Vor kurzem hatten wir sogar einen schönen Goldfisch-Vergleich bei uns im Podcast. Wir Menschen hätten mit 8 Sekunden eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne als Goldfische mit 9 Sekunden. Starker Vergleich, weil ja wohl jede Person einen Goldfisch in seinem Umfeld hat und sich gut mit den zur Gattung der Karpfen zählenden Fischen identifizieren kann. Darf man diese eigentlich noch als Haustiere halten? Wohl kaum in solch kleinen Glasgefäßen! Warte, ich google das schnell für dich – äh für mich.
(Anm. d. Red.: Der Autor öffnete einen neuen Tab im Browser und setzte seine Recherche zu Goldfischen fort. Dazwischen holte er sich ein Glas Wasser aus der Küche. 28 Minuten später setzte er den Text fort.)
Oh spannend: Der Goldfisch gilt als das älteste Haustier der Welt. Sie werden seit etwa 2500 Jahren gezüchtet und ohne wirtschaftlichen Nutzen gehalten. Seit 2500 Jahren? Dann könnte ja bereits Jesus solch einen putzigen Fisch gehalten haben.
So jetzt, Daniel, konzentrier dich! Jesus war doch gar nicht das Thema. Goldfische! Aber was wollte ich eigentlich mit den Goldfischen sagen? Ich wollte damit ein schönes Bild aufzeigen. Bilder sind wichtig, damit sich der Leser oder die Leserin auch komplexe Zusammenhänge besser merken kann. Vergleiche sind pädagogisch wertvoll, aber hinken leider allzu oft. Okay, jetzt kann ich’s ja sagen: Die Sache mit der Aufmerksamkeitsspanne von uns Menschen und den Goldfischen ist wissenschaftlich mehr als zweifelhaft. Schlechte Quellenlage, aber erfolgreiches Marketing. Microsoft hat diese These 2015 in die Welt gesetzt und seither schwimmt diese Info im Netz, in Büchern und vielen Talks herum.
Die Geschichte hat funktioniert, weil sie unser menschliches Ego getriggert hat. Was? Ein Goldfisch hat eine längere Aufmerksamkeit als wir Menschen? Das kann nicht … oh, schau mal ein Eichhörnchen!
«Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein.» – Albert Einstein
Einstein geht immer. Ganz wichtig ist nur, nach dem Zitat jeweils eine kurze Pause einzulegen, um die Aussage ordentlich sacken zu lassen. (Anm. d. Red.: Nach einer kurzen «Zvieri»-Pause realisierte der Autor, dass er noch keinen Bezug zur Kunst integriert hatte. 54 prokrastinierende Minuten, unzählige Browsertabs und 2 TED Talks später, setzte er den Schreibprozess fort)
Ich bewundere Kunstschaffende mit hoher Selbstdisziplin, welche fokussiert an ihren Werken dranbleiben können. Ist diese Zerstreuung einfach ein Zeichen unserer digitalisierten Welt? Hatte Microsoft doch recht?
Diese Fragen sind mir für heute zu komplex. Dafür reicht mein Aufmerksamkeits-Tank nicht mehr. Darum drehen wir zum Schluss den Spiess um. Wie würde es aussehen, wenn sich Kunst nach unserer Aufmerksamkeit sehnt? Die Künstlerin Aparna Rao hat sich dieser Frage sehr spielerisch angenommen. Ach komm, diesen TED Talk kannst du dir jetzt auch noch geben, wenn du es schon bis zu diesem Punkt des Textes geschafft hast: Klicke hier!