4000 Wochen

Ich nehm das Leben manchmal so,
als ob’s für immer ist
Aber ist es nicht
Hab‘ immer alles, was geht, mitgenomm’n
Was bleibt übrig davon?
Hab‘ ich mir nicht irgendwann selber versprochen
Ich mach‘ mehr aus mein’n viertausend Wochen?

Lyrics aus «4000 Wochen» von Max Giesinger

 

Ich horche immer dann auf, wenn mir etwas in kurzer Zeit mehrfach begegnet. Es riecht dann so schön nach popkulturellen Phänomenen. Find’ ich spannend und hilft mir, alles irgendwie besser zu verstehen. Genau so erging es mir vor einer Weile. In einem Podcast hörte ich eine Künstlerin darüber sprechen, wie sie ihr Leben aufgrund ihrer plötzlichen Erkenntnis über die Endlichkeit des Lebens radikal veränderte. Das fand ich noch eher «härzig». Naja, das ist nun wirklich keine Neuigkeit, dachte ich noch. Dann kam Oliver Burkemans Buch «4000 Wochen – das Leben ist zu kurz für Zeitmanagement» und wurde zum New York Times Bestseller. Der Sänger Max Giesinger – so stell ich mir das zumindest vor – las den Bestseller und schrieb aus eigener Betroffenheit («Bin jetzt schon fast Mitte dreißig und es fuckt mich ab, denn ich weiß nicht, ob ich alles zu leicht nehm‘ oder nicht leicht genug») einen Popsong dazu.

4000 Wochen haben wir auf Erden. So ungefähr. Und das scheint etwas mit uns zu machen. Hier meine vier Lieblings-Kernaussagen von Oliver Burkeman:

 

Du wirst deine Zeit nie gemanagt bekommen

Hustle. Grind. Es gibt viele Modeworte für das tägliche Hamsterrad. Den Großteil der Geschichte über wollten Menschen reich sein, um möglichst wenig arbeiten zu müssen. Aber in den letzten Jahren ist es regelrecht hip geworden, sich abzurackern. Dabei macht «busy» sein nicht glücklich. Im Gegenteil. Studien zufolge verhalten sich Wohlstand und Zufriedenheit umgekehrt proportional. Unsere Zeit kennt trotzdem nur ein Ziel: Wachstum. Und wenn alles weiterwachsen soll, müssen wir ständig produktiver werden, unsere Ressourcen immer effizienter nutzen. Es gibt Menschen, die mit alledem kein Problem haben und irgendwie entspannt durchs Leben kommen. Aber der Rest von uns leidet unter diesem Effizienzgebot. Je mehr wir die Zeit zu zähmen versuchen, desto frustrierter und gestresster sind wir. Ungünstige Entwicklung.

 

Wie Zeit zur Ressource wurde

Es war nicht immer so, wie es jetzt ist. Die mittelalterlichen Bauern und Bäuerinnen sagten noch, die Dinge dauern eine «Miserere whyle» – also die Weile, die man braucht, um den auch «Miserere» genannten Psalm 50 aus der Bibel aufzusagen. Es gab also eine Zeit, wo die Dinge einfach so lange dauerten, wie sie eben dauern. Unsere Obsession für Zeitmanagement ist eine moderne Krankheit. Grund, warum sich Menschen vor der Industrialisierung nicht um Zeit geschert haben: Sie sahen ihre Lebenszeit nicht als begrenzt. Die Zeit auf Erden galt als profanes Vorspiel für das ewige Jenseits. Erst die säkulare Moderne brachte einen neuen Bezug zum Diesseits und schürte den Fortschrittsglauben. Seitdem sorgen wir uns darum, wie wir das Beste aus unserer Zeit auf Erden machen.

 

Das Wissen um die eigene Endlichkeit

Der deutsche Philosoph Martin Heidegger meinte, die Endlichkeit der Zeit bestimme unsere Existenz. Leider verbringen die meisten von uns ihre Zeit damit, genau das zu leugnen, indem sie sich ablenken oder in den Alltag stürzen. Wenn es nach Heidegger geht, müssen wir uns mit unserer Endlichkeit versöhnen. Eine traurige Tatsache, klar. Aber wir müssten uns davon nicht unterkriegen, sondern im Positiven anstacheln lassen. Um die Dinge zu tun, die uns am Herzen liegen, beispielsweise.

 

Dinge wieder aus Liebe zur Sache tun

Das Verschwinden der Musse ist problematisch. Genau das muss sich Rocklegende Rod Stewart gedacht haben, als er sich dem Modellbau widmete. Er gestand einst in einem Interview, dass er über 20 Jahre lang am Nachbau einer US-Landschaft aus den 1940er-Jahren gewerkelt hatte. Mit Miniatureisenbahn und allem Drum und Dran. Dieses Hobby brachte ihm keinen Image-Boost. Es diente nicht dem Ausbau seiner Marke. Stewart war nicht mal besonders gut darin, Modelle zu bauen. Lass mal wieder etwas nur aus Spaß an der Freude machen!

 

Und zum Schluss nehme ich mir als absolute Niete in Zeitmanagement diesen Rat Burkemans zu Herzen:

«Stell dir vor, du machst deinen Frieden damit, dass du nicht besonders bist. Nur ein kurzes Glühen im zeitlosen Lichtermeer des Kosmos. Dann ist es völlig egal, ob du Meisterwerke komponierst oder Bus fährst. Dann kannst du dich von dem Druck frei machen, das Beste aus deiner Zeit zu machen. Hör auf, etwas Besonderes tun zu wollen!»

 

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