Liebe deine Stadt schön!

Juni 2023. Planungstage mit dem gesamten Team von Central Arts aus Deutschland und der Schweiz. Drei Tage in Halle, der größten Stadt Sachsen-Anhalts (ehem. DDR-Gebiet). Bedeutendes kulturelles, wissenschaftliches und mittlerweile auch wieder wirtschaftliches Zentrum. Halle ist die deutsche «Zukunftsstadt» schlechthin, wird dort doch in den nächsten Jahren das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation gebaut.

Mein Eindruck der Stadt während der ersten zwei Tage ist allerdings zwiegespalten. Zwar staune ich über das sichtbare kulturelle Erbe und einzelne gut erhaltene oder schön renovierte Gebäude und Quartiere. Gleichzeitig ertappe ich mich immer wieder, wie ich mit einer Mischung aus Unverständnis, Ohnmacht und Mitleid auf die marode Bausubstanz blicke, die sich mir präsentiert. Und erst die vielen verlotterten und vermüllten Hinter- und Innenhöfe. Weshalb wird da nicht mehr gemacht?

Stört die Hässlichkeit eigentlich niemanden?

Müsste man da nicht mehr in die Infrastruktur investieren, wenn man schon Zukunft sein will?

Dann die Stadtführung mit dem Architekten und Kunstfreund Christian Fromme. Er zeichnet, baut, ermöglicht und fördert in Halle seit rund dreißig Jahren. In seinem Portfolio sind auch bedeutende, stadtbekannte Gebäude wie etwa das Stadtmuseum. Seine liebevolle Art gegenüber Menschen und Stadt beeindruckt mich tief. Ich spreche ihn an auf den Müll, den Dreck, das Verlotterte. Stört ihn das alles nicht? Wie geht er mit seinem geschulten Auge für das Schöne damit um? Seine Antwort:

«Da hat‘s doch immerhin noch Raum für Entfaltung.»

Er sagt es mit einem gewissen Schalk und gibt zu bedenken, dass es für einen Architekten in einer Stadt, in der schon jeder Quadratmeter verbaut oder renoviert ist, nicht wirklich spannend ist. Und dann zeigt er uns noch Bilder davon, wie es noch zu Beginn der 90er-Jahre in der Stadt ausgesehen hat, wie man große Teile des kulturellen Erbes komplett hatte verfallen lassen, wie praktisch kein einziges Dach mehr dicht war. 

Ich werde ganz klein, verstumme und staune einfach nur noch: Krass, was in diesen gut dreißig Jahren bereits erreicht wurde!

Aus Mitleid wird Respekt, aus Ohnmacht wird Glaube. Nun rieche auch ich die Zukunft.

Das «Man sollte doch!» und das «Wo soll man da nur beginnen?» weichen dem «Stell dir erst mal vor, wie’s in weiteren dreißig Jahren hier aussehen wird.»

Für eine solche hoffnungsvolle Zukunft braucht es Menschen wie Christian. Solche, die in ihrer Stadt mit ihren eigenen Händen konkret mitgestalten und trotzdem ganz mit dem Himmel verbunden sind. Deshalb ist «Dein Reich komme» eines der Lieblingsgebete von Christian, ein regelrechtes Kulturgebet, wie er sagt. Und zum Abschluss sagt er noch dies:

«Eine ganze Stadt im Blick zu haben, heißt zu denken und zu glauben. Und mit den Augen Gottes alles zu lieben, was man vor sich sieht.»

Seine eigene Stadt schönlieben und schönmachen … Ich möchte mit meinen Möglichkeiten und an den Orten, an denen ich auftauche, nichts anderes als ein Christian Fromme sein!

 

Blogtext anhören