Ich habe mit Freunden ein Lied geschrieben, das in diesen Tagen veröffentlicht wurde. Das ist an sich nichts Aussergewöhnliches. Jedoch handelt es ausgerechnet vom Frieden, vom grossen «Shalom», der weit mehr als einfach inneren oder äußeren Frieden beschreibt, sondern allumfassend zu verstehen ist und das Beste von allem miteinschliesst – Dinge wie Heil, Wohlergehen und Gerechtigkeit, politisches, gesellschaftliches und wirtschaftliches Gelingen.
Das Lied war als eine aufmunternde Erinnerung daran gedacht, welche Zukunft uns Gott verspricht. Eine Vision des vollkommenen Lebens, das bereits begonnen hat, das wir in der persönlichen Beziehung mit Jesus Christus bereits erleben können und das eines Tages für die ganze Welt Wirklichkeit werden wird, wenn man der christlichen Botschaft glauben will.
Zwischen Entstehungsprozess und Veröffentlichung des Liedes haben sich die Wolken über dem Weltgeschehen nochmals dramatisch verdunkelt, so dass es mittlerweile zu einem umkämpften und deshalb in meinen Augen umso wichtigeren Protestlied geworden ist.
Ich werde mit diesem Text hier nicht politisch, aber ich möchte trotzdem ganz klar Stellung beziehen: Stellung für den Frieden! Weil er mir in den Zeitungen und auf den Nachrichtenportalen, die ich zu Gesicht bekomme, zu wenig vorkommt. Weil er in allzu weite Ferne gerückt ist, so dass er manchmal nicht einmal denkens- geschweige denn erwähnenswert scheint.
In Zeiten wie diesen ein Friedenslied zu singen, fühlt sich in etwa so an, wie mit einer einzigen Gießkanne bewaffnet vor einem unendlich großen Waldbrand zu stehen. Alleine.
Ach, was wurde mir in Artikeln, Berichten und in persönlichen Gesprächen in den letzten Wochen und Monaten (teilweise mehr oder weniger plausibel) erklärt, weshalb Friede aktuell nicht möglich ist! Weshalb jetzt zuerst einmal die Zeit der Vergeltung, der Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung, der Trauer, der Wut, des Kampfes, der Waffen ist. Und so sehr das vielleicht auch stimmen mag: Die Stimme des Friedens darf im ganzen Kanon der Optionen nicht fehlen. Mehr verlange ich auch gar nicht.
Wo Minderheiten und ganze Ethnien – Menschen überhaupt – marginalisiert, bedroht, verfolgt oder gar abgeschlachtet werden, müssen wir aufklären, uns solidarisieren, beschützen, für Gerechtigkeit sorgen. Aber nicht ohne, dass auch schon jetzt Friedenslieder angestimmt werden dürfen. Sonst enden wir nur in gerechtfertigten Gegenschlägen, in hartem Aktivismus, in technischen Lösungen.
In Zeiten wie diesen ein Friedenslied zu singen, gibt einem permanent das Gefühl, dass man das Problem in seiner Komplexität nicht ganz erfasst hat, dass man naiv, realitätsfern, gar dumm ist. Dass es zu wenig ist. Nun ja, ich habe mich dafür entschieden, dieses Gefühl auszuhalten, zu überwinden. Und trotzdem zu singen. Selbst wenn ich mir dabei manchmal blöd vorkomme. Wie die Alternative – also gar nicht zu singen – aussieht, halten uns die Nachrichten dieser Tage ja eindrücklich vor Augen.
Ich möchte raus aus dem Fatalismus und hinein in echte Empathie, in gelebtes, aktives Erbarmen. Ich möchte mich nicht vor den Bildern und Nachrichten verschließen, möchte mich weiterhin bewegen lassen, weil das Friedenslied sonst schnell auch platt und abgehoben werden kann. Weil es Opfer auch verhöhnen kann, wenn es einfach billig daherkommt.
Sprache kann hier zum Beispiel ganz entscheidend sein, indem sie empathisch, präzise, nicht realitätsfern ist. Ich singen deshalb zum Beispiel nicht davon, dass Friede jetzt schon «da» ist (das fände ich verhöhnend für Menschen, die in diesem Moment tatsächlich leiden). Aber ich singe davon, dass Friede jetzt schon «nah» ist (und meine dabei den etwa 30cm-Abstand zwischen Kopf und Herz, wo der Friede Gottes jetzt schon wohnen kann).
Ebenso ist es entlastend zu wissen, dass das Friedenslied nicht alles können oder ganz isoliert dastehen muss. Es kann helfen, ihm gute Freunde zur Seite zu stellen. In unserem Fall haben wir gleichzeitig auch ein neues «Kyrie» veröffentlicht.
Es kann uns selber, Opfern und Niedergeschlagenen sehr wohl auch helfen, zuerst zu fragen, anzuklagen, zu bitten. Zu sagen «Herr, weshalb?», «Herr, wie lange noch?», «Herr erbarme dich!» Aber dann eben auch «Herr, trotz allem, preise ich dich!» und deshalb singe ich auch vom Frieden. Oder lasse mir von jemand anderem vorsingen. Im Wissen, dass Frieden zwar noch weit, weit, weit weg sein mag. Aber im Vertrauen, dass er doch irgendwann wirklich Wirklichkeit werden wird. Ansonsten verliere ich persönlich den letzten Funken Hoffnung.
Shalom – Friede mit dir!