Schaut her, wie toll ich bin!

Ich bin auf dem Nachhauseweg von einem Podcastfestival in Zürich. Tolle Gäste, anregende Themen, Gedanken und Formate. Alles wunderbar. Bis auf die nebensächliche Selbsterkenntnis, dass ich im Networking unterirdisch schlecht bin. Nicht, dass ich davon überrascht wäre. Ich kenne mich nun doch schon eine ganze Weile. An solchen Events verstecke ich mich sogar hinter meinem Cappuccino.

Zu Hause angekommen, räume ich Sachen vom Tisch. Ein kleines, gelbes Buch fällt mir in die Hand. «Wie werde ich entdeckt? Wie stelle ich es an, dass ich gesehen werde?» Der Klappentext spricht mit zynischen Zungen zu mir. Austin Kleon weiss anscheinend, wie man zeigt, was man kann. In seinem New York Times Bestseller «Show your work!»1 beschreibt der Autor und Künstler zehn Wege, um auf sich aufmerksam zu machen. Ein Handbuch für alle, die es eigentlich hassen, Werbung für sich selbst zu machen. Eine Alternative zur klassischen Selbstvermarktung. Ich akzeptiere das Büchlein als Konfrontationstherapie und beginne, zu lesen. 

Hier meine Leuchtstift-Zusammenfassung. Eine Sammlung der Sätze aus Kleons Buch, die ich mir angestrichen habe. Für alle, die sich mit Eigenwerbung ebenfalls schwertun.

 

1. Du musst kein Einstein sein.

Der Mensch mit der übermenschlichen Begabung und dem direkten Draht zu Gott oder seiner Muse ist ein destruktiver Mythos. Kreativität als ein antisozialer Akt zu begreifen, den nur wenige große Geister zustande bringen, hilft nicht. Gute Arbeit entsteht nicht in einem Vakuum, sondern als Produkt eines Geistes, der mit anderen in Verbindung steht. Natürlich, auf dem Spektrum kreativer Arbeit liegen Welten zwischen Mittelmaß und Meisterwerk. Aber auch das Mittelmaß liegt immer noch auf dem Spektrum. 

 

2. Sieh den Prozess, nicht das Produkt.

Skizzen, Demos, Notizen, Prototypen – Prozesse sind chaotisch und machen wenig her. Indem wir unser Ego Ego sein lassen und unseren Schaffensprozess offenlegen, geben wir anderen die Möglichkeit, eine dauerhafte Beziehung mit uns und unserer Arbeit einzugehen, was unsere Produkte umso begehrenswerter macht. «Um Beziehungen einzugehen, müssen wir uns sichtbar – wirklich sichtbar – machen», sagt Brené Brown dazu. Die Sache mit der Verletzlichkeit also. 

 

3. Teile täglich Kleinigkeiten. 

Erfolg über Nacht gibt es selten. Jeder Durchbruch entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Ergebnis jahrelanger harter Arbeit und Hartnäckigkeit. Ein Gesamtwerk zu schaffen, braucht ein ganzes Leben. Vergiss das mit dem ganzen Leben. Konzentriere dich auf Tage. Schau dir am Ende jedes Tages deine Sachen an und wähle ein Detail, das du teilen kannst. Deine Arbeit zu teilen darf allerdings nicht wichtiger werden, als die Arbeit selbst. 

 

4. Öffne dein Kuriositätenkabinett. 

«Ich glaube nicht an heimliche Leidenschaften. Wenn du was magst, dann scheiss verdammt noch mal auf heimlich.» (Dave Grohl) Es ist der Job der Kreativen, den Abfall unserer Gesellschaft zu durchwühlen und Schätze zu bergen, die andere für wertlos halten. Zudem: Wir alle tragen wunderbare Merkwürdigkeiten als geistige Sammlungen mit uns herum. Wenn du deine Ideen hortest, lebst du irgendwann nur noch von deinen Reserven, alles wirkt abgedroschen. 

 

5. Erzähle gute Geschichten.

Die Arbeit spricht eben doch nicht für sich selbst. Die Leute wollen wissen, wo etwas herkommt, wie es entstanden ist und wer es hergestellt hat. Dass du eine gute Geschichte von dir selbst erzählen willst, bedeutet nicht, dass du ins Reich der Fantasie abgleiten darfst. Bleib bei den Tatsachen.  

 

6. Teile dein Wissen.

Sobald du selbst etwas gelernt hast, bring es anderen bei. Jemandem etwas beizubringen, führt nicht zwangsläufig zu Konkurrenz. «Sein Wissen für sich zu behalten ist nicht nur beschämend, sondern auch destruktiv. Was nicht offen und großzügig geteilt wird, spielt irgendwann keine Rolle mehr. Dann machst du deinen Safe auf und findest nur noch Stab.» (Annie Dillard)

 

7. Werde nicht zu Spam.

Wenn du nehmen willst, musst du auch geben. Wenn du wahrgenommen werden willst, nimm andere wahr. Sei hin und wieder still, hör anderen zu. Sei aufmerksam. Und werde nicht zum menschlichem Spam. Sei nicht fies. Sei kein Trottel. Vergeude nicht die Zeit anderer Leute. Um interessant zu sein, muss man interessiert sein. 

 

8. Stecke (Rück-)schläge ein. 

Je mehr Leute deine Arbeit sehen, desto mehr Kritik wird dir entgegenschlagen. Und so geht man damit um: Ruhig durchatmen. Kritik ist nicht das Ende der Welt. Bei bestimmten Leuten Missfallen zu erregen, ist eine Auszeichnung. Gib auf die empfindlichen Stellen Acht. Wenn dir deine Arbeit zu intim ist, halte sie unter Verschluss. Denk immer daran: Du machst deine Arbeit. Du bist nicht deine Arbeit. 

 

9. Ausverkauf.

Wir müssen alle unsere Mieten zahlen. Irgendwoher muss das Geld kommen, sei es durch einen Brotjob, einen reichen Ehepartner, Investmentfonds, ein Stipendium oder einen Mäzen. Sogar die Renaissance war gesponsert. Lass den Hut herumgehen. Mach deine Fans zu Förderern. Wenn sich die Möglichkeit bietet, mehr von all dem zu tun, was du gern tust, sag ja. Wenn du die Möglichkeit hast, mehr Geld zu machen, dafür aber weniger von dem zu tun, was du gern tust, sag nein. 

 

10. Dranbleiben!

Rechne nicht mit dem Erfolg. Du kannst nur die Voraussetzungen dafür schaffen und dann bereit sein, auf den Zug aufzuspringen, wenn er kommt. «Ein Happy End hängt davon ab», schrieb der Schauspieler Orson Welles, «wo in der Geschicht man aufhört.«

 

1 Quellenangabe: «Show your work», Austin Kleon, 2016

 

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