PLORK! PLORK?

Wenn man mich aktuell fragen würde, mit welcher Person der Menschheitsgeschichte ich gerne mal einen Kaffee trinken möchte, ich müsste nicht lange überlegen:
Corita Kent. Die Ordensschwester, Künstlerin und Aktivistin begeistert mich mit ihrer Arbeit, ihrer Geschichte, ihrer Person – letzte Nacht habe ich sogar von ihr geträumt. 

Ein kurzer, kommentierter Einblick:
Frances Elizabeth Kent (*1918) lebt seit 1936 als Schwester Corita Mary in der Schwesternschaft «Immaculate Heart of Mary», (wow, mich beeindruckt, dass sie mit 18 Jahren eine solche lebensumfassende Entscheidung trifft). Sie studiert am angeschlossenen College, unterrichtet für einige Jahre Grundschüler in British Columbia und kehrt dann 1947 zurück an die Kunstfakultät des «Immaculate Heart Colleges» (IHC). Parallel dazu beginnt sie ihren Master an der «University of Southern California» und entdeckt die Siebdrucktechnik für sich. (Mein Traum handelte übrigens davon, dass mir Schwester Corita Siebdruck beibrachte.) 1951 beendet sie das Studium und arbeitet und unterrichtet während der 50er Jahre weiterhin am IHC. 

Als sie 1962 das erste Mal mit Andy Warhol’s Pop Art in Berührung kommt, ist sie begeistert und der erste von vielen ihrer Pop Prints entsteht (bemerkenswert: Andy Warhol, Pop Art Größe seiner und unserer Zeit, inspiriert eine Ordensschwester, die diese Kunstform mit in die Kirche bringt – obwohl ich die Konsumorientierung der Pop Art auch kritisch sehe). Ihr Ruf als Künstlerin und Lehrerin wächst und Größen wie der Komponist John Cage, der Regisseur Alfred Hitchcock oder der Typograf und Grafikdesigner Saul Bass sind ihre Gäste.

Zu diesem Zeitpunkt gilt das klösterliche College als eine der experimentierfreudigsten Kunsthochschulen Kaliforniens.

Als sie 1964 die Leitung der Kunstfakultät des IHC übernimmt, prägt sie diese weiterhin wesentlich mit ihrem revolutionären künstlerischen und auch pädagogischen Ansatz: «Plork», eine Wortkreuzung aus «Play» and «Work», bildet dabei die Grundlage ihres Schaffens und auch ihres Glaubens. Corita Kents Ausführungen in «10 Regeln für Kunstschaffende», die durch John Cage an Popularität gewannen, klingen dann auszugsweise so: 

Regel Eins: Finde einen Ort, dem du vertraust, und versuche dann, ihm eine Weile zu vertrauen.

Regel Vier: Betrachte alles als ein Experiment.

Regel Fünf: Sei selbstdiszipliniert – das bedeutet, jemanden zu finden, der weise oder klug ist, und sich zu entscheiden, ihm zu folgen. Diszipliniert zu sein bedeutet, auf eine gute Art und Weise zu folgen. Selbstdisziplin bedeutet, auf eine bessere Art und Weise zu folgen.

Regel Sechs: Nichts ist ein Fehler. Es gibt kein Gewinnen und kein Scheitern, es gibt nur ein Machen.

Regel Acht: Versuche nicht, gleichzeitig zu kreieren und zu analysieren. Das sind unterschiedliche Prozesse.

Mich beflügelt das. Ich sehe in ihr eine Gefährtin, die sich schon vor 60 Jahren an der Schnittstelle von Popkultur und Kirche bewegte und der es irgendwie gelang, sich zeitweise in beiden Szenen zu verorten – mal mehr, mal weniger, wie ihre weitere Lebensgeschichte zeigt. Ihre mutige und spielerische Art, mit der sie sich im Vorlesungssaal, im Atelier und in der Kirche bewegte, machen mich neugierig, ihr und ihrem Lebenswerk weiter nachzuspüren. Vielleicht fahre ich dazu demnächst mal nach Köln. Einige ihrer Arbeiten hängen dort im Museum Ludwig.

Fotografie Schwester Corita © Corita Art Center, Immaculate Heart

 

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