Dieses Jahr stolpert wohl jeder mal über Caspar David Friedrich (1774–1840). Er ist gerade super populär. Mit gleich drei großen Ausstellungen in Hamburg, Berlin und Dresden feiert Deutschland seinen 250. Geburtstag. So viel Popularität hätte er sich wohl nie träumen lassen. Als bekennender Introvert wäre er mit Sicherheit zu keiner Ausstellungseröffnung gekommen. Was zieht die Leute?
Was ich besonders spannend bei ihm finde, ist, wie er durch seine Kunst Glaubenserfahrungen ermöglicht. Das finde ich krass. Er redet in seinen Bildern von Gott, vernehmbar aber ganz unaufdringlich. Keinem wird irgendwas aufgezwungen. Null Propaganda. 100% Kunst. Ja, er war ein gläubiger Mensch und Malen war für ihn eine heilige Sache. Eine berühmte Geschichte erzählt, dass seine Frau niemand ins Atelier lassen durfte, wenn er gerade am Himmel eines Bildes arbeitete.
«Wissen Sie, das ist ihm Gottesdienst. Da darf man ihn nicht stören.» Und irgendwie spürt man das seinen Bildern ab.
Aber wie ermöglicht das jetzt Gotteserfahrungen? Er malt Landschaften. Ok, das kennt man: Du stehst in den Bergen, am Meer, vor einem Sonnenuntergang und du staunst einfach nur. Da kann selbst der eingefleischteste Atheist schon mal versucht sein zu glauben, dass nicht alles nur Zufall ist. Ok. Aber Landschaftsbilder gibt es viele, aber warum sollen jetzt gerade seine Glaubenserfahrung ermöglichen? CDF hat da vieles ausprobiert: mit Kreuzen im Wald und Kathedralen in der Ferne. Alles schön, aber noch nicht der Knaller, selbst wenn diese Bilder zu Lebzeiten schon zu Skandalen geführt haben. «Bitte keine Landschaftsbilder auf die Altäre!» «Wir wollen Heiligenbilder und Bibelgeschichten.» Die sogenannten «Nazarener», ja, die malten verständlich. – Interessiert heute aber niemanden mehr! Zu gestrig. Ganz anders bei CDF! Die Besuchermagneten sind vor allem die Landschaftsbilder, bei denen CDF uns jemandem über die Schulter blicken lässt. Da ist dieser winzige einsame Mönch vor diesem riesigen Meer von 1810 in Berlin. Oder dieser berühmte «Wanderer über dem Nebelmeer» in Hamburg und sein Gegenstück, die «Frau vor der untergehenden Sonne» in Essen. Beide von 1818. Sie kehren uns einfach den Rücken zu. Sind völlig absorbiert von dem, was sie sehen… Kunstkritiker könnten jetzt meckern: «Wer stellt denn die Hauptfigur genau in die Mitte? Schon mal was vom Goldenen Schnitt gehört?» Aber CDF würde wohl kontern:
«Du sollst ja auch nicht auf die Figur achten, sondern durch sie durch auf die Landschaft schauen und … staunen.»
Und auf einmal staune ich wirklich mit diesem Wanderer: «Krass. Diese Weite hier oben!» Und ich freue mich über den klaren Himmel, erst recht, wenn ich denke: «Ach, du Armer, kamst du aus dem Nebel da unten. Da möchte ich jetzt nicht sein. Da sieht man ja seinen Fuß vor lauter Nebel nicht.» Nicht die Landschaft an sich, sondern dass ich mit jemandem mit staunen kann, ist, was mir die Gotteserfahrung ermöglicht. Leuten in Rückenansicht gab’s auch schon vor CDF auf Bildern. Aber seine Bilder lassen mich einfach nur mit staunen. Seine Leute machen nichts weiter. Sie arbeiten nicht, kämpfen nicht. Ich ertappe sie nicht beim Saufen oder Liebesbriefelesen. Sie staunen einfach nur über das Schöne, über die Weite, über die Schöpfung und ja, das kann ich verstehen.
Nicht jeder wird das gleich mit Gott in Verbindung bringen. Das genau lässt mir Freiheit. Ich kann’s auch anders sehen. Aber hey, «sprachlos Staunen über das unfassbar Schöne» das ist schon dicht dran an Anbetung und Glauben, oder? Ja, und vielleicht lässt es mich fragen: «Wo kommt das alles her? Warum gibt es so etwas schönes?» Und wenn ich das wirklich nicht mit der Ahnung auf einen Schöpfer verbinden kann, … ja, dann … ist da wenigstens noch der Respekt vor der Natur und der Aufruf zum Schutz der Umwelt. Sicher nicht ganz die Intention von CDF, aber auch gut.