Keine Feelgood-Story

Ich habe da so einen «Lemony Snicket» in mir. Und dieser ist aktuell wieder ziemlich laut und unbequem. Sein Problem: Optimismus ist so ganz und gar nicht seine Stärke. Im Gegenteil. Die Spassbremse auf jeder Party. Falls deine Neugier überwiegt und du ihn trotzdem kennenlernen möchtest, gerne – aber auf eigene Gefahr!

Lemony Snicket begleitete mich durch meine Kinder- und Jugendjahre. Er war der Autor einer Buchreihe, die den wunderbar traurigen Titel «Eine Reihe betrüblicher Ereignisse» trug – der Name war Programm. Der Kopf hinter diesen Romanen hieß in der Realität Daniel Handler, schrieb aber unter dem Pseudonym Lemony Snicket. In 13 Büchern erzählt er die tragische Geschichte von drei Waisenkindern. Violet, Klaus und Sunny Baudelaire verlieren ihre Eltern bei einem mysteriösen Brand und müssen sich von da an gegen einen ihnen bisher unbekannten Verwandten namens Graf Olaf zur Wehr setzen. Dieser setzt seine ganze Boshaftigkeit dafür ein, um an das große Vermögen zu gelangen, welches die Baudelaire-Eltern hinterlassen haben.

Definitiv keine Feelgood-Story. Das wird aber auch nie behauptet.

Ab der ersten Seite rät dir die Erzählfigur Lemony Snicket davon ab, die Geschichte überhaupt zu lesen. Man solle lieber zu fröhlichen Büchern greifen. Diese umgekehrte Psychologie, gekoppelt mit viel schwarzem Humor, zog mich damals in den Bann.

Das aktuelle Weltgeschehen erinnert mich an diese fiktive Geschichte, in der alles immer schlimmer und schlimmer wird. Wir scheinen da gerade einen Lauf zu haben, bei dem jeder noch so kleine Hoffnungsschimmer bereits auf der nächsten Seite wieder von einem widerlichen Typen zunichtegemacht wird. Der innere Snicket schreit momentan fast täglich: «Es wird nicht mehr besser, leg die News-App zur Seite und erzähl deiner Tochter lieber zum 534-sten Mal die Geschichte vom Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat!»

Es ist offensichtlich kein Zufall, dass wir uns als Central Arts aktuell wieder mit Begriffen wie «Menschlichkeit» oder «Frieden» auseinandersetzen. Wir wollen die Welt um uns herum schöner hinterlassen, als wir sie angetroffen haben. Wir möchten mehr hoffnungsvolle und ehrliche Kunst sehen.

«Hi, es ist ein bisschen kalt da draußen. Kannst du einfach irgendwas zu Menschlichkeit machen? Okay?»

Diese ehrliche Bitte, verpackt als Sprachnachricht, bildet den Start der ersten Central Arts Kunst-Staffel im Rahmen von unserem alljährlichen CrowdFunThing. Wie unberechenbar und unglaublich faszinierend wird es, wenn Menschen gemeinsam Kunst kreieren. Ich habe riesige Freude an dem, was bereits entstanden ist. Falls du also mal eine Badnews-Pause brauchst, gerne anschauen und unterstützen. Beim gegenteiligen Bedürfnis (soll es geben), darfst du natürlich gerne die Snicket-Bücher lesen oder dir die gleichnamige und nicht weniger betrübliche Netflix-Serie dazu reinziehen.

Spoiler-Alert: Entgegen aller geschürter Erwartungen endete übrigens die Buchreihe (und die Serie) doch noch ganz okay und irgendwie versöhnlich. Der Weg dorthin war aber steinig und kostete viele Opfer (und Nerven der Leserinnen und Leser). Aber bei aller Dystopie verspürt man einen Funken Hoffnung oder immerhin Zuversicht. Diesen Plot-Twist habe ich auch in der Realität noch nicht ganz aufgegeben.

 

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