Songs for the Road

«Klick», neue Socken bestellt und dank Amazon Prime morgen schon da. «Tipp», ein Foto geschossen und bei Instagram geteilt. Dann noch das Brokkoli-Bild auswählen und den Brokkoli damit in den Warenkorb legen, 20 Minuten später liegt das Gemüse in meinem Kühlschrank. 

Der amerikanische Schriftsteller Gore Vidal beschrieb schon 1977 in einem seiner Essays die «gegenwärtige Leidenschaft für das Unmittelbare und Beiläufige». Die Instant-Nudelsuppe in meiner Schale knapp 50 Jahre später ist dabei wohl nur ein kleines Indiz und malt mir dennoch deutlich vor Augen, dass ich in einer Instant-Gesellschaft lebe. Ich muss gestehen, dass ich das häufig gar nicht so schlimm finde und die Vorzüge dessen genieße. Gleichzeitig macht es mir auch Bauchschmerzen, denn ich beobachte immer wieder, wie schwer es mir fällt, den Dingen, die eben Zeit brauchen, auch ihre Zeit zu geben. Dann bin ich ungeduldig, unruhig, werde unsicher, weil ich’s nicht unter Kontrolle habe. 

Mein Glaube ist eines dieser Dinge. Der Philosoph Friedrich Nietzsche schrieb 1886 in seinem Werk «Jenseits von Gut und Böse» dazu passend:

«Das Wesentliche, ‹im Himmel und auf Erden›, (…) ist (…), dass lange und in eine Richtung gehorcht wird: dabei kommt und kam auf die Dauer immer etwas heraus, um dessentwillen es sich lohnt, auf Erden zu leben, zum Beispiel Tugend, Kunst, Musik, Tanz, Vernunft, Geistigkeit – irgendetwas Verklärendes, Raffiniertes, Tolles und Göttliches.» 

Es muss lange und in eine Richtung gehorcht werden. Was für selbstbestimmte Ohren etwas fremd klingen mag, wird vielleicht etwas vertrauter, wenn ich es frei übertrage: «Bleib fokussiert, vertrauensvoll und geduldig, an der einen Sache dran, komme was wolle!» Wie gesagt, mein Glaube ist eines dieser Dinge, bei dem ich herausgefordert bin, dran zu bleiben, komme was wolle, wo ich manchmal unsicher, ungeduldig werde. Statt «Klick» und «Instant» erlebe ich hier auch immer wieder — (Stille) und Ausharren.

Glaube ist eine Reise und ich bin eine Pilgerin auf diesem jahrhundertealten Glaubensweg. Glaube verlangt mir ab, dass ich lange in eine Richtung gehe und dran bleibe. 

Wenn ich die Geschichten der Menschen lese, die vor mir auf diesem Weg des Glaubens unterwegs waren, ob nun das Volk Israel oder die ersten Jünger, dann tröstet mich das und ermutigt mich aus zwei Gründen. Zum einen waren sie nicht alleine unterwegs, sie waren immer eine Glaubens-Pilgergemeinschaft. Zudem ging es ihnen häufig sehr ähnlich wie mir: Neben dem Erleben von Freude, Sehnsucht und Sicherheit waren da auch bedrohliche, verunsichernde und beängstigende Etappen dabei. Und was haben sie mit diesen Erfahrungen gemacht? Sie haben gemeinsam darüber gesungen! Die sogenannten «Wallfahrtspsalmen» (Psalm 120–134) sind eine Art Gesangbuch mit 15 Liedern für den Weg. Gesungen wurden sie traditionell vom Volk Israel auf dem Weg zu verschiedenen Festen nach Jerusalem und sie beleuchten verschiedene Aspekte des Glaubens(er)lebens. Es sind Lieder, die uns daran erinnern wollen, wer Gott ist, wer wir sind und wohin wir unterwegs sind. Lieder, die uns im Leben mit Gott begleiten, stärken und Orientierung geben wollen. Lieder über Gemeinschaft, Hoffnung, Hilflosigkeit, Geduld und vieles mehr.

Ich mag diesen Ansatz sehr gern und ich bin dankbar, dass ich bei Central Arts Teil eines Netzwerkes sein kann, in dem kreative Menschen diese Erfahrungen authentisch verkunsten und gemeinsam besingen. Bitte mehr davon! 

 

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