Vor kurzem traf es mich. Ich erhielt meine Einberufung zum Dienst, aber nicht dem an der Waffe, sondern zum Gottesdienst, Abteilung Verkündigungsdienst. Und im Unterschied zu dem förmlichen Briefpapier der Bundeswehr mit Befehlston und Aktenzeichen, war diese Berufung eher vage gehalten, für mich aber dennoch von wohlwollender Bestimmtheit ummantelt.
Manchmal stellt man sich unter Berufung ja etwas nahezu ekstatisches, eindeutiges vor; so war es bei mir nicht ganz.
Meinen Ersteindruck zu dieser Gebetserfahrung habe ich versucht in Worte zu gießen und mich dem Ganzen dabei zu nähern.
Die sogenannte Berufung. Ein großer Begriff, den ich noch nicht begriffen habe; kann ihn kaum ertasten, zu erhaben scheint mir kleinem Stückwerk-Stümper die Implikation dieser wortmächtigen Entität, zu eng verknüpft mit klangvoll prangenden Namen wie Jeremia, Jesaja oder Jünger.
Wie kann Gott nur so etwas tun? Er muss doch sehen, wie sündhaft, unfertig, fertig und beschäftigt ich bin. Kann Gott nicht einsehen, dass ich hier einfach nur so ein bisschen rumleben will? Konsumieren, Kunst, Kontemplation? Ich habe doch auch einen Ruf zu verlieren? Ich habe doch einen Beruf zu verlieren?
Hallo?! Diese Berufung wird mich in Verruf bringen! Ich kann mich nicht einfach zum Dienst abberufen lassen. Was soll das überhaupt heißen: Dienst? Wie altmodisch ist denn bitte diese Vorstellung, mein egozentrisches Weltbild und meine Wünsche hintanzustellen und mich irgendwo dienstbar unterzuordnen?
Und überhaupt, was, wenn dieser Ruf nur ein pseudo-transzendental verschachtelter Bluff ist; eine sakral legitimierte Wunschvorstellung meines Unterbewusstseins, um meinem zukünftigen Weg weihevolles Gewicht zu verleihen? Das sei ferne!
Aber wenn man doch nach mir ruft. Wer macht sich schon die Mühe, mich anzurufen? Es war ja kein allgemeiner Aufruf, oder etwa doch?
Ganz allgemein bin ich ja erst einmal einberufen zum Höchsten, abberufen vom Hohn, gerufen zum Hören und aufgerufen zum Handeln. Darauf kann ich mich berufen. Das habe ich doch auch getan, ich bin dazu berufen wie alle anderen. Wieso jetzt also noch dieser persönliche Ruf? Ich bin doch schon dem allgemeinen Aufruf nachgefolgt. War meine Ausführung nicht ausreichend? Jetzt en passant einfach diese Berufung, ganz puristisch, nicht pompös, so vollkommen ohne Neonschrift in den Wolken. Und dann auch noch so fruchtbar konkret, nicht angsteinflößend, sondern erfüllend.
Kann denn das Berufung sein, wenn ich mich darauf freue?
Vielleicht ist Berufung besser als ihr Ruf. Und in mir dämmert langsam, wichtiger als mein Ruf ist mein Nachruf, und noch wichtiger ist der, der mir nachruft: Folge mir nach! Dem zu folgen in meiner Lebenskunst ist meine Berufung, und wenn er mir schon sagt, wo das genau sein soll, dann umso besser.