Als erstes ein lockerer Griff in die Sprichwörterkiste. Was haben wir denn da?
«Unverhofft kommt oft.»
«Erstens kommt es anders. Zweitens, als man denkt.»
«Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl ihm von deinen Plänen.»
Als nächstes ein etwas seriöserer Blick in die Tageszeitung. Aufgrund der Größe des Feldes, das mir dort begegnet, kürze ich ab: Wir leben in einer ungewissen Welt.
Das könnte jetzt nach Apokalypse riechen. Muss es aber nicht. Gerade kreative Nasen könnten in der Undurchsichtigkeit unserer Zeit etwas ganz anderes wittern: Spiel- und Freiheitsräume. So wie ich das verstehe, muss man heute, morgen und übermorgen vor allem eines können: sich durchwursteln. Andere nennen das «novel and adaptive thinking». Eine der Schlüsselkompetenzen der Zukunft meint die Fähigkeit, auf Situationen zu reagieren, die nicht routinemäßig oder regelbasiert sind.
Durchwursteln, sag ich doch!
Höchste Zeit, sich in der Kreativszene nach der Kunst der Improvisation umzusehen. Und dabei das ein oder andere aufzusammeln, das helfen könnte fürs Leben allgemein.
Auf einem grösseren Event schaue ich den «Sonntagsschülern» zu. Improvisationstheater vom Feinsten. Damit kenne ich mich so gar nicht aus. Umso faszinierter bin ich davon. Die Szenen entstehen im Moment. Jemand macht den Start, die Nächste akzeptiert das von ihrem Gegenüber angebotene Material wertfrei und spinnt den Faden weiter. So wird die Szene gebaut. Wie Lego eigentlich. Später lese ich das «Ja genau, und dann …» eine der Grundübungen des Improtheaters ist. Erst im Miteinander entsteht so, was niemand planen konnte. Der Schweizer Improvisationskünstler Niggi Hégelé erklärt in einem Interview:
«Oft erleben wir die Spannung zwischen dem, was wir wollen, und dem, was da ist, als schwierig. Wenn es uns aber gelingt, das, was wir haben, zu dem zu machen, was wir wollen, wird es interessant.»
Ausgehend von den erwähnten Theaterübungen schlägt der Improprofi also vor, unsere Wünsche der Realität anzupassen. Eine ganz schöne Antithese zum Trend, sich Wünsche zu visualisieren und damit das anzustreben, was noch nicht da ist.
Auf die Frage, was er mache, wenn ihm wirklich mal gar nichts einfällt, antwortet er: «Dann ist das das Material.» Der Mann hat eine beneidenswerte Entspanntheit. Ein bisschen mehr
«Es ist wie es ist»
würde auch der Luft außerhalb der Improtheater-Bubble guttun.
Rund um das Improvisieren tummeln sich einige Missverständnisse. Improvisieren ist keine Kompensation für schlechte Planung. Und sie ist auch keine bloße Reaktion. Das wissen alle, die schon mal Musikern oder einer Tänzerin beim Improvisieren auf der Bühne zugehört und zugesehen haben. Nichts kommt aus dem Nichts. Das Neue wächst auf dem Nährboden von vorhandenen Fähigkeiten. Je größer die Klaviatur, desto vielfältiger sind die Möglichkeiten. Zudem sind improvisatorische Skills auch soziale Skills. Zuhören, auf das Gegenüber eingehen, den Raum lesen. Nur so – und nicht aus Planungsfaulheit oder Zufall – entsteht all das Neue, Überraschende und wunderschön Erstaunliche.
«Follow your fear» –
daran hält sich Niggi Hégelé, um sich auch nach zwanzig Jahren im Business zu entwickeln. Er rät, nicht dahin zu gehen, wo man gar keine Skills hat. Aber sich doch immer wieder außerhalb der Komfortzone zu bewegen.
Wenn ich in dieser Manier meinen eigenen Ängsten folgen würde, müsste ich mich noch heute zu einem Improtheater-Workshop anmelden. Da wäre ich definitiv im absoluten Panikmodus. Ich habe für die nähere Zukunft aber bereits andere Pläne. Wobei …