Reise in die Ukraine

Gemeinsam mit ART HELPS und Schlafkonzerte war Central Arts für ein Projekt einige Tage in der Ukraine. Auszüge aus Julia Buchs Reiseerlebnissen:

Nacht auf Tag 2
Zum ersten Mal fahre ich in ein Kriegsgebiet. Dem Gefühl der Ohnmacht und dem willkürlichen Ausgeliefertsein setzt sich ein stark ansteigendes Gefühl von kindlichem Vertrauen entgegen. Ich vertraue Minute für Minute. Dennoch nehme ich jeden Alarm äußerst ernst, bin insgesamt angespannter und reagiere schreckhafter auf Geräusche.

Tag 2
Wir kommen verschlafen in Kyiv an, nachdem wir im Nachtzug bis 2:00 Uhr mit einem 73-jährigen Ingenieur geredet haben, der freiwillig und regelmäßig aus den USA in die Ukraine reist, um die Air Force zu beraten. Was für ein mutiger und vitaler Mann! Der Zug scheint voll von Menschen zu sein, die helfen wollen. Von solchen, die hinschauen, zuhören und anpacken. Der Organismus der Welt macht auf seine zutiefst verletzten Punkte aufmerksam. Es wird immer Menschen geben, die hingehen. Dieses Mal bin ich einer von ihnen. Als Teil eines gemeinsamen Projekts von ART HELPS, Central Arts und Schlafkonzerte. ART HELPS investiert seit vielen Jahren in die sogenannte «zweite Hilfe» – sie schaffen Hoffnung und Perspektive für benachteiligte Kinder und Jugendliche in Krisengebieten und schwierigen Umständen. Mithilfe von lokalen Kunsttherapeuten und kreativen Programmen setzen sie den traumatischen Erlebnissen von Hunderten von Kindern etwas entgegen.

Nacht auf Tag 3
Zweimal Alarm in der Nacht. Einer davon drei Stunden lang. Um 03:30 Uhr Entwarnung. Unserer ukrainischen Freunde sagen: «Es sind nur ein paar Drohnen unterwegs. Die schafft die Air Force gut. Versucht allen Schlaf zu kriegen, den ihr könnt!»

Tag 3
Im Creative Hub von ART HELPS in Kyiv spielen wir für Kinder ein Schlafkonzert. Jedes Kind bekommt eine eigene Matte, ein Kissen und eine kuschelig warme Decke und bemalt seine eigene Schlafmaske.

Die sanften Klänge lassen die Kinder entspannen, einige schlafen friedlich ein. Die sonst dauerhaft alarmierten Nervensysteme kommen zur Ruhe.

Tag 4
Mit im Raum: Die DREAM-SOUND-MACHINE – gebaut während den drei vergangenen Workshop-Tagen. Durch einen Schlitz werfen die Kids ihre persönlich gestaltete Traumkarte ein. Jonathan und ich sitzen als «Human-Sound-Roboter» verkleidet in der Maschine und kreieren Melodien und Sounds zu den eingeworfenen Träumen und Wünschen. Eine fünfminütige, persönliche Hoffnungs-Melodie für jedes Kind. Mit dem Sound auf den Ohren, driften die Kinder in eine andere Welt ab. Für kurze Zeit sind sie nicht im Krieg, sondern im Land der Träume und ganz bei sich. Sie erleben, wie jemand mit ihnen hofft, dass ihre Wünsche und Träume eines Tages in Erfüllung gehen mögen. Sie wünschen sich Frieden. Natürlich. Aber auch: In die Berge reisen zu können, Barbier zu werden oder einen eigenen Computer zu besitzen. «Ich würde mich gern trauen, frei reden zu können, und mutig und schön singen zu können», sagt ein zwölfjähriges Mädchen, das mit ihrem Vater aus einem Ort an der Front flüchten musste. So reihen sich die Wünsche und Melodien aneinander.

In der abschließenden Feedbackrunde hören wir die Kids sagen: «Die Musik war wie eine kuschelige Decke. Ich habe mich geborgen gefühlt.»

«Ich habe meine Träume richtig vor mir sehen können. Dafür bin ich euch so dankbar!»

Es ist Krieg in der Ukraine. Das heißt nicht, dass Kinder aufhören zu träumen.

 

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