Lass mal …

Bei einem kürzlich gehörten Spoken Word-Text von Marco Michalzik wurde ich zum Denken angeregt. Er hat eine ganze Liste mit «Lass ma»-Aufforderungen rausgehauen. Eine Strophe war die folgende:

lass ma zuhören

lass ma lernen zu lernen

lass ma richtige fragen,

die uns selbst bloß stellen

stellen

Lass uns einander zuhören und uns trauen, Fragen zu stellen, die uns bloßstellen. Dieser Satz hat mich getriggert, da ich selbst merke, wie oft ich genau das eben nicht tue. Aus Scham, Angst oder dem doofen Gefühl, schräg zu sein oder mir die falschen Gedanken zu machen. Dabei ist es doch genau das, was Freundschaften und Beziehungen ausmacht. Was das Leben so furchtbar kompliziert und spannend macht: Über Dinge zu reden, die wehtun, die blosstellen, die roh und unmaskiert sind und die eigene Verletzlichkeit zulassen. Wie oft verschweige ich meine tiefsten Gedanken, Geheimnisse und Fragen, weil ich mein Gesicht nicht verlieren will? Oder weil ich nicht möchte, dass jemand plötzlich anders von mir denkt. Wie oft habe ich Fragen aus einem Minderwert heraus nicht gestellt? 

«Lass ma lernen zu lernen.» Nicht das Gefühl haben, dass wir bereits alles wissen. Oft genug wurde mir früher eingetrichtert, dass andere Ansichten gefährlich sein können. Dass anders Denken einen von den eigenen Werten abbringen könnte. Meine persönlichen Erfahrungen in den letzten Jahren haben mir jedoch etwas ganz anderes gezeigt. Die Angst, etwas zu verlieren, ist unberechtigt. Ich habe vielmehr etwas dazugewonnen. Haben sich meine Ansichten und Meinungen geändert? Ja, ganz klar. Hoffentlich haben sie das. Ich lerne ja schliesslich, zu lernen.

Menschen, die anders denken als ich, mit Fragen zu begegnen, hat meinen Horizont erweitert. Das wiederum bringt mehr Fragen hervor als Antworten und hat mein Herz grosszügiger und weiter werden lassen. Grosszügiger mit mir und anderen. Grosszügiger im Annehmen, Akzeptieren und Stehenlassen. 

Wir sind alles Lernende.

Ein Satz, der in unserem Team oft auftaucht. In diesem kurzen Leben, das wir alle haben, sollten wir nie aufhören zu suchen, zu forschen, über den eigenen Horizont zu blicken. In seinem eigenen Sein, Denken, Glauben und Handeln mündig werden, das ist doch das Ziel. Und so wie ich Jesus verstehe, hatte er auch nie ausgelernt, oft Fragen gestellt und hatte ein weites und grosszügiges Herz. 

Also schliesse ich mich den Worten von Marco an und sage: Lass mal Fragen fragen, uns bloss stellen und grosszügiger sein. Lass ma!
 

 

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